Die Regierung hat solange herumgerechnet, bis der neue Regelsatz für Hartz IV der alte blieb. Das ist inhaltlich eine Farce - politisch jedoch realistisch. Wichtig ist vor allem, dass arme Kinder mehr Hilfen für Bildung erhalten. Und das wird erreicht.
Diee Kritik an Hartz IV ist so alt wie die Reform. Doch was die höchsten deutschen Verfassungsrichter zum Umgang des Staates mit seinen Bedürftigen anzumerken hatten, war vernichtend. Von Willkür sprachen sie, davon, dass der Gesetzgeber sich nicht einmal die Mühe gemacht habe herauszufinden, was man in Deutschland für ein menschenwürdiges Leben braucht. Nun hat die Regierung neu gerechnet, hin und her, vor und zurück - und kommt zu fast dem gleichen Ergebnis. Dass sie dafür kübelweise Spott erntet und ihr abgesprochen wird, das Verfassungsgericht ernst genommen zu haben, war klar. Doch sie hat nicht jeden Kübel verdient.
Natürlich hat auch Schwarz-Gelb - so wie einst Rot-Grün - eine politische Rechnung aufgemacht. Dass die Regelsätze kaum anders ausfallen als zuvor, ist kein Zufall, sondern der Haushaltslage geschuldet. Man hat so lange neu gerechnet, bis wieder die alte Summe herauskam. Ob die Hartz-IV-Empfänger nun kein Geld mehr für Tabak und Alkohol bekommen, aber für den Internetanschluss und die Praxisgebühr - dürfte ihnen herzlich egal sein. Insofern ist und bleibt der so genannte Warenkorb ein Alibi für eine politisch gesetzte Summe. Inhaltlich eine Farce, politisch der reinste Realismus. Nur sehr naive Menschen können gehofft haben, diesmal werde alles ganz anders laufen.
In erster Linie ging es um die Kinder
Doch wer sich das Hauptanliegen der Verfassungshüter in Erinnerung ruft, findet einiges davon in der Reform wieder. Es ging den Richtern in erster Linie um die Kinder aus Hartz-Familien. Der Staat sollte sie nicht mehr wie 60-Prozent-Erwachsene behandeln, sondern ihnen geben, was sie als Kinder wirklich brauchen. Ausdrücklich verstanden die Richter darunter bessere Chancen in der Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Diese Forderung hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Teil erfüllt - gegen reichlich Widerstand aus den eigenen, konservativen Reihen.
Die neuen Regelsätze für Kinder sind genauso politisch gesetzt wie der Erwachsenen. Kritik: siehe oben. Doch es ist konsequent, den Auftrag der Richter eben nicht per Überweisung an die Eltern zu erledigen. Sondern in Form neuer Leistungen, die tatsächlich den Kindern und nur den Kindern zugute kommen. Das mag mancher als Entmündigung der Eltern werten und hat damit nicht Unrecht. Doch wenn der Staat Kindern aus armen Familien die Nachhilfe, den Sportverein oder den Schulausflug finanzieren will, hat er auch das Recht sicherzustellen, dass jeder Cent bei den Kindern ankommt. Selbst wenn nur eine Minderheit von Kindern gleichgültiger Eltern davon profitiert, hat es sich gelohnt.
Von der Leyen macht damit wie schon beim Elterngeld sozialdemokratische Politik. Das sollte die SPD bei ihrer Generalabrechnung mit der Reform ebenso wenig vergessen wie die Kleinigkeit, dass sie Hartz IV erfunden hat.