Stuttgart. .
Laufen die Proteste gegen „Stuttgart 21“ aus dem Ruder? Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus fürchtet eine Zunahme der Gewaltbereitschaft der Demonstranten. Die Polizei beklagt sich unterdessen über die hohe Belastung durch die Einsätze.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) befürchtet eine Zunahme der Gewaltbereitschaft bei den Protesten gegen „Stuttgart 21“. Dem Nachrichtenmagazin „Focus“ sagte Mappus laut Vorabbericht, dass es „einen nicht unerheblichen Teil von Berufsdemonstranten“ gebe, die der Polizei das Leben schwer machten. Bei ihnen würden „Aggressivität und Gewaltbereitschaft zunehmen“. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, beklagte indes die hohe Belastung der Landespolizei durch die Einsätze. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte sich am Samstag erneut für das Großprojekt stark.
Am Freitag hatten erneut über 10.000 Menschen am Hauptbahnhof gegen das Milliardenprojekt demonstriert. Nach der Veranstaltung mussten mehrere Personen festgenommen werden, nachdem sie Straßen blockiert hatten oder Polizisten angegangen waren. Eine Frau in einem Reisebus erlitt einen Nervenzusammenbruch, als dieser von Demonstranten umzingelt und beschädigt wurde.
Die massiven Proteste erfordern stets große Polizeieinsätze und schwächen die baden-württembergische Polizei laut Freiberg in anderen Landesteilen: „Das ist brandgefährlich.“ Welch prekäre Personalsituation dadurch in der Fläche entstehe, zeige der Amoklauf von Lörrach. Die dort ansässige Polizeidirektion bestätigte dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, am vergangenen Sonntag wegen „Stuttgart 21“ 30 Beamte zu einem Einsatz in die Landeshauptstadt abgeordnet zu haben. Aus Personalmangel waren in Lörrach deshalb ein Sachbearbeiter aus dem Innendienst und ein Polizeifreiwilliger eingesetzt worden. Keiner der beiden Männer, die als erste im Krankenhaus eintrafen, wo die Täterin um sich schoss, hatte eine Amokschulung durchlaufen. Der Innendienstbeamte erlitt bei dem Schusswechsel mit der 41-jährigen Täterin einen Kniedurchschuss.
Merkel spricht sich vehement für den Weiterbau aus
Bundeskanzlerin Merkel sprach sich beim Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU in Mainz erneut vehement für den Weiterbau des umstrittenen Projektes aus. Deutschland müsse zeigen, dass man zuverlässig sei. Man könne in Europa nicht zusammenarbeiten, wenn die Politik danach ausgerichtet werde, „wie viele Menschen gerade auf der Straße stehen“.
Den Gegnern des Milliardenprojekts bot Mappus an, außer der Einstellung des Projekts über so ziemlich alles zu reden. „Ich möchte weit über das hinaus, was üblich ist, die Stuttgarter mit Bürgerentscheiden direkt an der Gestaltung beteiligen.“ Eine Garantie für eine Kostenobergrenze von rund sieben Milliarden Euro wollte er nicht geben. „Vom Häuslebauer bis zum Kostenplaner bei Großprojekten weiß jeder, dass man mit Garantien vorsichtig sein sollte.“
Bei „Stuttgart 21“ wird der Hauptbahnhof für 4,1 Milliarden Euro vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof umgestaltet. Für rund drei Milliarden Euro soll zudem eine Hochgeschwindigkeitsneubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm entstehen. Seit Monaten demonstrieren Tausende gegen das Bahnprojekt. (dapd)