Stuttgart. .

Vor dem Landgericht Stuttgart hat heute der Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden begonnen. Der Anwälte des Vaters entschuldigten sich im Namen des Angeklagten.

Der vor dem Landgericht Stuttgart angeklagte Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen hat am ersten Prozesstag geschwiegen. Seine Verteidiger verlasen am Donnerstag eine Erklärung, in der der Angeklagte sein Mitgefühl mit den Hinterbliebenen der Amoklauf-Opfer äußerte. „Er trauert mit ihnen“, sagte Verteidiger Hubert Gorka an die etwa 27 anwesenden Angehörigen gewandt. „Die Folgen der Tat wiegen so schwer, dass die Verhängung einer Verurteilung als Strafe verfehlt wäre“, fügte Gorka hinzu.

Dem 51-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, die Tatwaffe unverschlossen im Kleiderschrank des elterlichen Schlafzimmers aufbewahrt zu haben, mit der sein 17-jähriger Sohn Tim am 11. März 2009 in der Albertville-Realschule in Winnenden und bei der anschließenden Flucht in Wendlingen 15 Menschen tötete und 13 verletzte. Danach hatte sich Tim K. erschossen.

Die Tat hätte auch ohne Fehlverhalten des Angeklagten geschehen können

Der Vater habe keine Hoffnung, dass die Angehörigen ihm jemals verziehen, sagte sein Verteidiger Gorka weiter. Dennoch müsse streng zwischen der Tat von Tim und der Verantwortung des Vaters unterschieden werden.

„Hätte er es erkennen und vermeiden können, hätte er es getan“, sagte der Verteidiger. Selbst die behandelnden Psychologen von Tim hätten nicht erkennen können, dass von Tim eine Gefahr ausging. Zugleich verwies die Verteidigung auf die rechtliche Beurteilung der Jugendkammer des Gerichts, wonach die Tat auch dann hätte geschehen können, wenn der Vater die Waffen ordnungsgemäß verschlossen hätte. Mit einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung sei danach nicht zu rechnen.

Der Vater habe die Konsequenzen voraussehen können

Das Gericht stellte am Ende des ersten Prozesstages jedoch klar, dass auch ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen nicht mehr auszuschließen sei. Die Jugendstrafkammer des Gerichts war entgegen der Staatsanwaltschaft sowie die 41 Nebenkläger bei der Zulassung der Klage zu der Beurteilung gekommen, dass nur ein hinreichender Tatverdacht wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz bestehe und nicht wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung.

Die Staatsanwaltschaft warf dem 51-Jährigen bei der Verlesung der Anklageschrift vor, die Tat seines Sohnes durch das „vorschriftswidrige Verwahren der Sportpistole sowie der Munition“ ermöglicht zu haben. Er habe dies „voraussehen können und müssen“, sagte Staatsanwältin Eva Hanss. Der Vater habe die von Tim verwendete Beretta im Kleiderschrank des Schlafzimmers verwahrt, obwohl er wusste, dass sowohl seine Ehefrau als auch seine minderjährigen Kinder ungehinderten Zugang hatten. Insbesondere habe er die Gefahr verkannt, dass der waffenbegeisterte Tim das Waffenversteck auskundschaften, die Waffe an sich bringen und damit sich und anderen Schaden zufügen könnte.

Eltern empfinden es als „großes Versagen“

Mehrere Vertreter der Nebenkläger warfen der Verteidigung nach ihrer Erklärung mangelndes Einfühlungsvermögen vor. Es sei „ungeschickt“ gewesen, zu Anfang des Prozesses vor den Angehörigen die Argumentation der Jugendkammer zu zitieren, wonach der Verdacht auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung nicht hinreichend gegeben sei. Sie werteten die Erklärung der Verteidigung weder als Entschuldigung noch als Eingeständnis einer Mitverantwortung des Vaters, sagten mehrere Vertreter der Angehörigen nach dem Prozess.

Der zweite Verteidiger des Vaters, Hans Steffan, fügte bei seinen Angaben zur Person seines Mandanten hinzu, die Eltern von Tim empfänden es als „großes Versagen“, Tims „große Verzweiflung“ nicht bemerkt zu haben. Es vergehe kein Tag, an dem der Vater nicht darüber trauere und nachdenke, was sein Sohn zum Mörder habe werden lassen und warum er aus dem Leben scheiden wollte.

Verschärfung der Waffengesetze

Nun muss die 18. Große Strafkammer in dem bis Januar terminierten Prozess unter anderem prüfen, ob Tims Vater hätte erkennen können, dass sein Sohn zu solch einer Bluttat willens war und er deshalb den Code des Tresors hätte ändern müssen. Dazu sind zahlreiche Zeugen geladen.

Die Grünen setzen sich aus Anlass des Prozesses für eine Verschärfung der Waffengesetze ein. Nötig sei vor allem ein Verbot von Schusswaffen in Privathaushalten, sagte Parteichef Cem Özdemir der „Frankfurter Rundschau“. Özdemir warf sowohl der früheren Bundesregierung aus Union und SPD als auch der heutigen Koalition aus Union und FDP vor, „aus Angst vor der Waffenlobby“ das Thema nicht angepackt zu haben. (dapd/AFP/AP)