Essen.

Die Diskussion um eine neue konservative Gruppierung hat mit Sarrazins Thesen Fahrt aufgenommen. Doch Wissenschaftler und Meinungsforscher sind skeptisch: Es fehle die Führungsfigur, das Wählerpotenzial sei unsicher.

Experten sind eher skeptisch, was die Gründung einer Partei rechts der CDU angeht. Derartige Befürchtungen waren nach jüngsten Umfragen und Warnungen aus der Union aufgetaucht. Hintergrund sind Thilo Sarrazins Thesen zur Integration und der Rückzug Erika Steinbachs aus dem CDU-Vorstand. Steinbach war wegen ihrer umstrittenen Äußerung zur Rolle Polens im zweiten Weltkrieg scharf kritisiert worden.

Alle „Zutaten vorhanden“

Für den Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie wären alle „Zutaten“ für eine rechtspopulistische Partei vorhanden: „Ein breites, ressentiment-geladenes Thema – Islam – , die Integrationsschwäche beider Volksparteien, die mediale Dauer-Aufmerksamkeit und eine Krisenstimmung, in der viele vermeintliche ,Opfer’ mit einem angeblichen ,Märtyrer’ kommunizieren.“ Was fehle, sei eine charismatische Führerpersönlichkeit. Auch der Parteienforscher Gerd Langguth sieht dagegen durchaus Potenzial für eine neokonservative Partei in Deutschland. „Eine gut geführte konservative Partei - vorausgesetzt, sie verfügt über eine charismatische Führungspersönlichkeit - würde die Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen mühelos überspringen“, sagte der Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn.

Dagegen stuft Parteienforscher Ulrich von Alemann von der Uni Düsseldorf die Chancen für eine rechtspopulistische Partei „mittelfristig als sehr gering ein“. Dieser Zeitung sagte er, dass allein die Fünf-Prozent-Hürde die Neugründung von Parteien erschwere. Hinzu komme, dass Parteien am rechten und linken Rand, „die Querulanten ihres Spektrums anziehen“, was zur Selbstzerfleischung führe. Allenfalls auf kommunaler Ebene könnten sie kurz Erfolge feiern: „Was lokal bei Pro Köln geklappt hat, ist bei Pro NRW schon nicht mehr aufgegangen.“

Das Umfrage-Ergebnis, nach dem eine Thilo-Sarrazin-Partei 18 Prozent der Wählerstimmen erhalten würde, hält von Alemann ebenso für nicht aussagekräftig wie der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner: „Es gibt immer ein latentes Potenzial von über zehn Prozent, das eine rechte Partei wählen würde. Aber ein solches Ergebnis gab es auch bei Umfragen nach einer völlig fiktiven Partei.“ Ein echtes Wählerpotenzial sei bundesweit nicht vorhanden.

Den Gegenbeweis möchte Rene Stadtkewitz antreten. Der aus Berliner CDU-Fraktion ausgeschlossene Islamkritiker hat gestern die Partei „Die Freiheit“ gegründet, mit der er 2011 bei der Landtagswahl in Berlin antreten will.