Aachen. .

Rechte Gesinnung und Polizei-Dienst – das passt nicht zusammen. Doch in Aachen ist ein Hauptkommissar sogar Kreisvorsitzender der rechtpopulistischen Partei „Pro NRW“. Sein Chef schäumt. Aber rauswerfen kann er ihn wohl nicht.

Wolfgang Palm kann sich über die Sarrazin-Debatte freuen. Jetzt kann er Sätze sagen wie: „Was die mit Thilo Sarrazin im Großen machen, das hat man mit mir im Kleinen gemacht.“ Überhaupt sieht er sich gerne in einer Reihe mit Männern wie Sarrazin, Friedrich Merz oder Wolfgang Clement. Männer aus der bürgerlichen Mitte, die drängende Probleme beim Namen nennen würden. Doch Wolfgang Palm hat sich von der bürgerlichen Mitte weit entfernt. Der Hauptkommissar der Polizei Aachen gehört einer Partei an, die vom Verfassungsschutz in NRW beobachtet wird. Seit Juni ist der 54-Jährige Aachener Kreisvorsitzender der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pro NRW“. Die Empörung ist groß.

Erst im Frühjahr hat der damalige Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) vor der Regionalpartei gewarnt. Pro NRW sei eine „Gefahr für die Demokratie“ und ein „trojanisches Pferd des Rechtsextremismus“. Die Partei versuche, sich in ein bürgerliches Gewand zu kleiden, erklärte Wolf. Vermischt mit ausgrenzenden fremdenfeind¬lichen Parolen verteufele sie den Islam und schüre bei den Menschen bewusst Sorgen vor Überfremdung. Eine Einschätzung, die das neue NRW-Innenministerium teile, sagt Sprecher Wolfgang Beus. Pro NRW werde weiter im Visier der Verfassungsschützer bleiben.

Palm: „Bin eigentlich ein typischer CDU-Wähler“

Ein Anhänger von Pro NRW  bei einem Aufmarsch der Partei vor der Merkez-Moschee in Duisburg - Marxloh. Foto: ddp
Ein Anhänger von Pro NRW bei einem Aufmarsch der Partei vor der Merkez-Moschee in Duisburg - Marxloh. Foto: ddp

Für Palm sind der Polizisten-Job und der Partei-Posten als Privatmann jedoch kein Widerspruch: „Ich bin Kreisvorsitzender einer nicht verbotenen Partei“, sagt er. „Mitglieder der Linkspartei werden schließlich auch vom Verfassungsschutz beobachtet.“ Er sei bürgerlich-konservativ, eigentlich ein typischer CDU-Wähler, beteuert der Hauptkommissar. „Doch die reden nur um den heißen Brei herum und tun letztendlich nichts.“ Seine Partei schlägt dagegen die Pauke der Überfremdungs-Angst laut und deutlich, setzt sich etwa für ein europaweites Minarett-Verbot ein.

Die Polizei Aachen ist nach eigenen Angaben von den Pro-NRW-Aktivitäten des Hauptkommissars völlig überrumpelt worden. Erst durch eine Anfrage der lokalen Medien habe man davon erfahren, bestätigt Polizeisprecher Michael Huber. Der Aachener Polizeipräsident Klaus Oelze zeigte sich empört: „Die Polizei Aachen stehe nach wie vor für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Ausländerfreundlichkeit“, sagte er. Er werde für Palm „eine Verwendung mit wenig Publikumskontakt finden“. Zudem lasse er disziplinarrechtliche Fragen prüfen.

Kein Disziplinarverfahren

Inzwischen hat Oelze entschieden: „Es wird kein Disziplinarverfahren gegen Wolfgang Palm geben“, sagt Sprecher Huber. „Wir können dem Beamten bislang keine Pflichtverletzung nachweisen.“ Der Polizist arbeite jetzt jedoch an einer Stelle mit wenig Publikumsverkehr. Vorher sei er überwiegend im Außendienst eingesetzt worden, bestätigt Palm. Nun bearbeite er Straftaten bei der Verkehrsdirektion.

Beim Innenministerium möchte man die Entscheidung des Polizeipräsidenten nicht kommentieren. „Personal-Fragen klärt immer die zuständige Behörde“, sagt Sprecher Beus. „Wenn Wolfgang Palm sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat seine Mitgliedschaft bei Pro NRW keine dienstrechtlichen Folgen.“ Bei der Einstellung eines Polizeianwärters werde jedoch unter anderem überprüft, ob er Mitglied einer Partei oder Organisation sei, die nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe, sagt Beus. Hätte ein NPD-Mitglied Probleme, bei der NRW-Polizei einzusteigen? Er könne sich vorstellen, dass das ein Hindernis sei, sagt der Ministeriumssprecher. Und wenn einer schon Beamter bei der Polizei ist? Das müsse dann die zuständige Behörde entscheiden.

Amnesty International beklagt Übergriffe auf Migranten

Dem Innenministerium ist es wichtig zu betonen, dass es sich bei der heiklen Angelegenheit um einen Einzelfall handelt. „Wir können keine fremdenfeindlichen Tendenzen bei der NRW-Polizei erkennen“, sagt Beus. Doch Opfergruppen prangern immer wieder Diskriminierungen und sogar Übergriffe einzelner Polizisten auf Migranten an. Im Frühjahr hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erneut schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Als Beispielfall wurde auch der mysteriöse Tod des Adem Özdamar auf einer Polizeiwache in Hagen genannt.

„Es gibt immer wieder Fälle rassistischen Verhaltens in der Polizei“, sagt Hans-Gerd Jaschke, Rechtsextremismus-Experte an der Hochschule für Recht und Wirtschaft Berlin. Doch bislang liegen keine empirischen Daten vor, die ein Muster erkennen ließen. Das Feld sei in den vergangenen Jahren kaum erforscht worden. Ende der 80er Jahre machten zahlreiche Polizeibeamte Furore, die sich öffentlich als Mitglieder und teils Funktionäre der rechtsradikalen „Republikaner“ outeten.

Pro NRW stilisiert Palm zum Opfer

„Anfang der 90er war das Thema Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Polizei noch Tabu“, sagt Jaschke. Die Polizei bemühe sich inzwischen jedoch, die multikulturelle Kompetenz ihrer Beamten schon in der Ausbildung zu fördern. In NRW gibt es zudem seit einigen Jahren Kontaktbeamte, die zwischen Muslimen und Beamten vermitteln sollen. Auch Migranten werden gezielt für den Polizei-Job angeworben. „Der Prozentsatz ist jedoch immer noch zu gering“, sagt Jaschke.

Palm hat indes den Spieß umgedreht. Er hat beim Innenministerium Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizeipräsident Oelze eingereicht und sich einen Anwalt genommen. Der Beamte werde sich ihm gegenüber äußern müssen, teilte Polizeipräsident Oelze im Juli mit. Doch bisher habe es kein persönliches Gespräch mit seinem Chef gegeben, sagt Palm. Er fühle sich zudem öffentlich gebrandmarkt. Von Pro NRW wird Wolfgang Palm jetzt in den Rang eines Opfers „polizeipräsidialer Willkür“ erhoben. Ende August hatten sich ein paar Dutzend Parteianhänger zur „Solidaritätsdemonstration“ vor dem Aachener Polizeipräsidium versammelt. Rückenwind für die Rechten kommt im Moment offenbar auch aus Berlin. „Wir bekommen derzeit viel Zuspruch, unsere Kreisgruppe wird von Tag zu Tag stärker“, sagt Palm. „Herr Sarrazin spielt uns zu.“