Essen. .
Papst Benedikt XVI. will, dass seine Priester besonders im Internet um neue Schäfchen werben. Mit Blogs und Videos sollen sie vor allem Junge erreichen. Doch die Kirchen machen bisher nur vorsichtige Schritte im Web 2.0. Oft fehlt das Personal.
Der Ruf kommt von ganz oben. Und er erreicht die Kirche in einer Zeit, die kaum düsterer sein könnte. Von Missbrauchs-Skandalen erschüttert muss sie mehr als zuvor um jeden Gläubigen kämpfen. Papst Benedikt XVI. hat hierfür ein neues Feld auserkoren: Seine Priester sollen besonders im Internet um neue Schäfchen werben. „Durch die modernen Kommunikationsmittel kann der Priester das Leben der Kirche bekanntmachen und den Menschen von heute helfen, das Gesicht Christi zu entdecken“, schrieb er im Frühjahr in einer Botschaft an die Kirchenvertreter. Priester müssten auch Blogs und Onlinevideos zur Glaubensverkündung nutzen. Und sie sollen dem „Kommunikationsstrom des Internet eine Seele geben“.
Seitdem geht ein Ruck durch die katholische Kirche in Deutschland. Seit Juni hat der erste deutsche Bischof ein eigenes Blog. Unter dem Namen „bibo“ teilt Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück seine Gedanken erstmals auch der Netzgemeinde mit. Er schreibt über die Trauer angesichts der Loveparade-Katastrophe, aber auch über einen gezogenen Weisheitszahn. Ein Bischof mit ganz weltlichen Problemen eben. Die Website wird von Schafen auf einer grünen Wiese eingerahmt. Ein Schäfer ist nicht zu sehen.
„Mehr Fragen als Antworten“
Bischof Bode ist als bloggender Oberhirte bislang noch einsames Vorbild. Doch auch im Erzbistum Köln hat Kardinal Meisner den Ruf des Papstes gehört. Am Freitag will er zum Weltmedientag über „Kirche im Web 2.0“ sprechen. Eine erste Annährung soll es sein. „Wir befinden uns noch in der Phase des Ausprobierens“, sagt Erzbistums-Sprecher Christoph Heckeley. „Es gibt derzeit mehr Fragen als Antworten.“ Das Erzbistum Köln hat immerhin ein Profil beim sozialen Netzwerk Twitter. „In diesem Jahr wollen wir auf Twitter zum ersten Mal von unserer Domwallfahrt berichten“, sagt Heckeley.
Im Web 1.0 ist die Kirche inzwischen angekommen. „Fast alle unsere Kirchengemeinden haben eine eigene Internetseite“, sagt Heckeley. Auch im Bistum Essen sei der Großteil der Gemeinden im Netz vertreten. Die Qualitäts-Spanne der Angebote sei jedoch hoch, sagt Philippe Patra, Internet-Koordinator des Bistums. Während einige Gemeinden lediglich eine Art Visitenkarte im Netz veröffentlichen, hätten andere ihr eigenes Profil beim sozialen Netzwerk Facebook oder stellten Podcasts ein. Hier und da sei auch ein bloggender Pfarrer dabei. Auch die evangelische Landeskirche in Westfalen wagt sich langsam ins Web 2.0 vor. „Wir mussten erst einmal überhaupt den Sprung ins Internet schaffen“ sagt Bernd Tiggemann. Er leitet die Online-Redaktion, die es seit einem Jahr gibt.
„Verstaubtes Image abstreifen“
Die Erfahrungen in NRW sind auf ganz Deutschland übertragbar. „Die meisten Auftritte der Kirche im Internet sind reine Informationsangebote“, sagt Jürgen Pelzer. Der Wissenschaftler hat mit einem Team der Goethe-Universität Frankfurt erstmals die Präsenz der Kirche im Netz genau untersucht. Das Ergebnis: Im Web 2.0 tummeln sich vor allem gläubige Laien oder Ehrenamtliche, stellen bei YouTube Videos vom Gemeindefest ein oder gründen bei SchülerVZ eine Messdiener-Gruppe. Die Kirchenvertreter halten sich dagegen bislang weitgehend zurück.
Das hat jedoch nichts mit Fortschritts-Feindlichkeit zu tun. „Vielerorts fehlt einfach das Personal, um das Internetportal zu pflegen“, sagt Pelzer. Und in Zukunft dürfte sich diese Situation wegen des Sparkurses vieler Kirchen noch verschärfen. Doch gerade der Auftritt im Web 2.0 muss gepflegt werden. Wer Kommentare zulässt und Blogs anlegt, bekommt Reaktionen. Und diese Reaktionen müssen bewältigt werden. Auch bei der evangelischen Landeskirche in Westfalen und dem Erzbistum Köln wird die bisherige Zurückhaltung mit Personalmangel begründet. Religionspädagoge Pelzer empfiehlt daher, das Potential der Ehrenamtlichen und Laien zu nutzen und einzelne Angebote miteinander zu vernetzen. Warum sollte die Messdiener-Gruppe mit ihrem Facebook-Profil nicht auch auf der Gemeindeseite auftauchen?
Die Chancen für die Kirche im Web 2.0 sind groß. „Gerade für junge Leute ist das Internet zur bestimmenden Lebenswelt geworden“ sagt Pelzer. „Dort muss die Kirche ihnen entgegenkommen, wenn sie den Anschluss nicht verlieren möchte.“ Tiggemann hofft gar, dass mancher Kirchen-Gegner seine Meinung ändern könnte: „Wenn wir im Web 2.0 unterwegs sind, gehen wir mit der Zeit und streifen endlich unser verstaubtes Image ab.“ Das Erzbistum Köln hat eine eigene Seite für Ungläubige eingerichtet. Unter www.ohne-gott.de sollen sie Fragen stellen und Antworten von Kirchenleuten bekommen.
Falsche Papst-Profile
Natürlich könne das Internet nie die unmittelbare Begegnung mit dem Priester und das Gemeinschaftserlebnis in der Kirche ersetzen, sagt Heckeley. Von privaten Angeboten wie www.beichte.de halten die Kirchenvertreter nichts. Beichten sei ein Sakrament, das nur an einem sehr persönlichen Ort abgenommen werden könne, erklärt Heckeley. Auch Onlinevideos von Gottesdiensten gibt es bereits, etwa auf der Seite www.evangelisch.de. Doch selbst für Kirchen-Online-Pionier Tiggemann ist die Vorstellung, dass der Pfarrer irgendwann alleine dastehen könnte, während die Gläubigen den Gottesdienst am Bildschirm verfolgen, ein Horror-Szenario.
Doch die Gefahr lauert zunächst anderswo. Seit 2009 hat der Vatikan ein Portal eröffnet, das dem Papst gewidmet ist. Bei Pope2you sind auch gleich die Links zum passenden Facebook-Profil, dem App fürs iPhone und zum Kanal des Vatikan auf YouTube gelegt. Nur Twitter fehlt. Dennoch hat der Papst bei Twitter mindestens sieben Profile. Der Pontifex ist das Opfer von Twitter-Fälschern geworden, wie viele Prominente. Ein Fake-Profil hat sogar mehr als 4300 Fans. Ob sie wissen, wessen Botschaft sie empfangen?