Berlin.
Jeder dritte Dienstwagen des Bundestages stößt zuviel Kohlendioxid aus. Damit ignorieren Abgeordnete Vorschriften, die sie sich selbst gesetzt haben. Die Grünen-Fraktion nennt den Fall eine „Blamage“.
Sie sind schwarz, elegant, komfortabel. Eigentlich sollten sie auch halbwegs klimafreundlich sein: die Dienstwagen des Deutschen Bundestags.
„Bei öffentlichen Veranstaltungen werden wir oft gefragt, wie klimaschädlich unsere dicken Limousinen sind“, berichtet der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne). „Bislang konnte ich immer guten Gewissens sagen: Unser Ältestenrat hat beschlossen, dass unsere Wagen nicht mehr als 140 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen dürfen. Wir fahren relativ klimafreundlich.“
Jetzt muss Hermann feststellen: Er wurde getäuscht. Recherchen der Nachrichtenagentur dapd ergaben, dass bei einem großen Teil der Dienstwagen der selbst gesetzte Grenzwert nicht eingehalten wird. „Im Endeffekt ist das Klima geschädigt und der Bundestag blamiert“, sagt Hermann.
Abgedordnete wünschen Komfort
Die Dienstwagen des Bundestags sind ein heikles Thema. Jahrelang versuchten Grünen-Abgeordnete, die anderen Mitglieder des Bundestags für spritsparende Wagen zu erwärmen. Regelmäßig scheiterten sie. Der Komfort, die Sicherheit, die Würde des Amtes - so die Argumente für große deutsche Limousinen.Doch im April 2009 griff der Ältestenrat des Bundestags ein und beschloss einen Grenzwert von 140 Gramm.
Nun war die Bundestagsverwaltung am Zug. Sie betreut den eigenen Fuhrpark mit 37 Wagen. Und sie schaltete europaweit eine neue Ausschreibung. Denn den allergrößten Teil der Dienstfahrten - etwa 1,5 Millionen Kilometer im Jahr - erledigt eine externe Firma mit rund 150 Fahrzeugen. In der Ausschreibung wurde der Grenzwert von 140 Gramm ausdrücklich zur Bedingung gemacht. Es gewann die Firma RocVin Dienste GmbH, die schon seit Jahren die Abgeordneten fährt.
Auf die Frage, wie viele der Fahrzeuge den Grenzwert einhalten, antwortet die Bundestagsverwaltung umgehend: „Alle.“ Das klingt zwar gut, entspricht aber nicht der Wahrheit.
Bundestag schiebt Mercedes die Schuld zu
Doch auf eine erneute Anfrage liefert die Bundestagsverwaltung eine Liste der Fahrzeuge, die im Einsatz sind. Jetzt stellt sich heraus: Ein Drittel der Wagen aus dem bundestagseigenen Fuhrpark ist mit Automatikgetriebe ausgestattet, sie sind vom Typ Mercedes E 200 CDI. Auch RocVin ist überwiegend mit diesem Modell unterwegs. Als CO2-Wert nennt die Bundestagsverwaltung: 137-145 Gramm je Kilometer. Was wieder nicht der Wahrheit entspricht.
Ein Blick auf die Website von Mercedes genügt. Dort wird als CO2-Wert für den Wagen mit Automatik 145-153 Gramm angegeben. Der vom Bundestag genannte Wert gilt für Wagen mit Schaltgetriebe, die verbrauchen in der Regel weniger Treibstoff als Automatik-Wagen.
Damit konfrontiert, hat die Bundestagsverwaltung eine überraschende Erklärung parat: Verantwortlich sei der Hersteller, also Mercedes Benz. Der habe die CO2-Werte nach oben korrigiert, nachdem die Wagen bestellt wurden. „Entsprechend den Herstellerangaben im Jahr 2009 war die Verwaltung von 139 Gramm CO2 pro Kilometer zum Zeitpunkt der Entscheidung für das Jahr 2010 ausgegangen. Für eine Erhöhung der CO2-Werte gab es keine Anzeichen.“
Verkehrsclub: „Riesenschlamperei“
Die Reaktion von Mercedes-Benz: „Erstaunlich“. Die Pressestelle schickt eine Preisliste zur Markteinführung des Modells E 200 CDI im Jahr 2009. Da war als CO2-Wert für Automatikgetriebe angegeben: 146-153 Gramm.
Die Bundestagsverwaltung hätte also wissen müssen, dass ein Drittel der eigenen Wagen und die Fahrzeuge von RocVin den Grenzwert nicht einhalten. „Das ist eine Riesenschlamperei“, sagt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. „Der Ältestenrat hat die Spielregeln festgelegt, dann müssen die ausführenden Organe die Einhaltung kontrollieren. Wenn jemand da wirklich hinterher ist, dann passiert so etwas nicht.“
Nun hat die Bundestagsverwaltung RocVin nach eigenen Angaben darauf hingewiesen, dass der Grenzwert einzuhalten sei. Das Unternehmen sei „bestrebt, dem so schnell wie möglich gerecht zu werden“. Was mit den Wagen des eigenen Fuhrparks passiert, die den Wert nicht einhalten, lässt die Verwaltung offen.
Ministerwagen sind noch umweltschädlicher
„Diese Geschichte ist sehr ärgerlich, weil sie so symbolisch ist“, sagt Winfried Hermann. „Wenn man schon an einer solchen Kleinigkeit wie dem CO2-Wert unserer Dienstwagen scheitert, wie will man dann das Klima im Großen retten?“
Übrigens: Die Fahrzeuge der Minister und ihrer Mitarbeiter sind im Durchschnitt noch viel schlechter für das Klima. In deren Fuhrparks finden sich Wagen wie der Audi A8 und der VW Phaeton. Diese stoßen sogar um die 200 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Einen selbst gesetzten Grenzwert haben die Ministerien nicht. Aber der vom Bundestag steht ja auch fast nur auf dem Papier. (dapd)