Berlin.
Will Renate Künast Klaus Wowereit ablösen? Gerüchte über eine Kandidatur gibt es reichlich. Doch Künast äußert sich partout nicht.
Grünen-Chefin Claudia Roth hätte auch sagen können: Mensch, die Renate soll in Berlin kandidieren. Die Botschaft wäre etwa dieselbe gewesen. Um die Personaldebatte nicht völlig zu entfesseln, formulierte es Roth vorsichtiger: Fraktionschefin Renate Künast wäre eine „sehr gute Bürgermeisterin“ und würde ihre Sache „ganz klar besser machen“ als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).
Seit Monaten köchelt in Berlin die Debatte, ob Künast im Herbst 2011 bei den Abgeordnetenhauswahlen gegen Wowereit antreten soll. Laut einer aktuellen Umfrage kommt die Ökopartei auf 27 Prozent der Stimmen und liegt in der Hauptstadt erstmals vor der SPD mit 26 Prozent. Die CDU, die einst unter den Regierenden Bürgermeistern wie Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen deutlich bessere Zeiten hatte, dümpelt bei 17 Prozent dahin, hauchdünn vor der Linken mit 16 Prozent. Die FDP käme mit vier Prozent nicht einmal ins Abgeordnetenhaus.
„Die Grünen werden gespeist von enttäuschten SPD-Wählern“
Der Chef des Meinungsforschungs-Instituts Forsa, Manfred Güllner, begründet den Grünen-Hype vor allem mit der Schwäche der Berliner SPD. „Die Grünen werden gespeist von enttäuschten SPD-Wählern“, sagte Güllner dieser Zeitung. Von der schwarz-gelben Bundesregierung profitierten die Grünen nur insofern, dass sie als seriöse Oppositionspartei wahrgenommen würden. Güllner geht von einem weiteren Kick aus, wenn Künast ihre Kandidatur bekannt gibt. „Es würde mich nicht wundern, wenn die Grünen dann weiter zulegen.“
Doch Künast schweigt. Angesprochen auf das Thema reagiert die Ex-Verbraucherschutzministerin schmallippig und würgt Nachfragen entschlossen ab. Eine Entscheidung soll erst im Herbst fallen.
Eigentlich kann Künast kaum mehr nein sagen
Dabei wächst täglich der Druck auf Künast – auch wenn offiziell kein Spitzen-Grüner in der Kandidaten-Frage nach vorn preschen mag. „Ich glaube, dass sie es macht, weil die Umfragewerte so gut sind“, sagt ein Fraktionsmitglied. Während des Wahlkampfes könne Künast den Fraktionsvorsitz ruhen lassen und bei einer Niederlage zurückkehren.
Doch schon gibt es Spekulationen zum Fraktions-Chefsessel. Als Künast-Erbinnen aus dem Realo-Flügel gelten Bundestagsvizepräsidentin Karin Göring-Eckardt, die wirtschaftspolitische Sprecherin Kerstin Andreae, die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann und Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer.
Eigentlich kann Künast kaum mehr nein sagen – nachdem sie die Debatte über Monate hat laufen lassen. Andernfalls müsste sie sich den Vorwurf gefallen lassen, sie hätte gekniffen. Gleichzeitig würde jeder andere Spitzenkandidat als Verlegenheitslösung gelten.
Ein riskantes Spiel
Mit einer Kandidatur geht Künast aber ein riskantes Spiel ein. Bei einer deutlichen Niederlage, wäre sie auch als Fraktionschefin beschädigt, heißt es in der Fraktion. Auch wenn die Grünen stärkste Partei würden, könnte Künast einen Sieg ohne Wert erringen. Für Grün-Schwarz gäbe es derzeit keine Mehrheit. Ein grün-rotes Bündnis käme nur ohne Wowereit infrage.
Der dürfte sich notfalls in eine Große Koalition unter seiner Führung retten und die Grünen im Wahlkampf als Hauptkonkurrenten massiv bekämpfen. Darunter könnte auf Bundesebene das Verhältnis zwischen Rot-Grün leiden, das mit der gemeinsamen Bundespräsidentenwahl wieder besser wurde. Die Sozialdemokraten befürchten zudem, dass sich die Springer-Presse im Wahlkampf auf Künasts Seite schlagen könnte.
Als Juniorpartner mit den Grünen zu regieren, gilt vielen in der SPD als höchst unangenehme Vorstellung. Es ist aber auch gut möglich, dass es nicht so weit kommt. Denn im Wahlkampf warten auf die Ökopartei mehrere Dilemmata. Sie müssen sowohl Linke als auch Bürgerliche ansprechen und einen symbolträchtigen Wahlkampfschlager finden, um damit gegen den rot-roten Senat zu punkten. Der ist bislang nicht in Sicht.