Dortmund. .

Küssen und kuscheln – das war’s. Sogar für die Generation Porno. Ihr erstes Mal erleben junge Menschen später als angenommen, wie eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt.

Manchmal sind sogar Experten angenehm überrascht: Dass die so genannte Generation Porno anders ist als ihr Ruf, wertet der Sexualpädagoge Martin Gnielka vor allem als Erfolg der sozialpädagogischen Aufklärung. Küssen und kuscheln – und das war’s. Ihr erstes Mal erleben junge Menschen später als angenommen, wie eine repräsentative Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beweist.

Mädchen und noch mehr die Jungen suchten keinesfalls immer eher und immer öfter das sexuelle Abenteuer. Der Anteil der 14-jährigen Mädchen mit Geschlechtsverkehrerfahrung ist im Vergleich zu 2005 deutlich von zwölf auf sieben Prozent gesunken – bei den Jungen sogar von zehn auf vier Prozent. Selbst siebzehnjährige Mädchen zeigen sich zurückhaltender: Von 73 auf 66 Prozent sank der Anteil derer, die bereits über sexuelle Erfahrung verfügten. Bei den Jungen blieb es bei 65 Prozent. Eine Zahl, die mit dem Vorurteil der vermeintlich so freizügigen Jugend aufräumen sollte, ist auch diese: Ein Drittel der Jugendlichen hatte bis 17 Jahre noch keinen Sex.

Nicht die Clique entscheidet

Etwas anders ist es bei Jungen aus Zuwandererfamilien: Sie sind früher sexuell aktiv als deutsche Jungen, doch auch hier sind die Zahlen rückläufig. Mädchen mit Migrationshintergrund sind deutlich zurückhaltender.

Martin Gnielka vom Institut für Sexualpädagogik in Dortmund: „In den letzten Jahren hat der Sexualkunde-Unterricht in Schulen stark zugenommen. Das bedeutet: Heute hat fast jeder Jugendliche Kontakt mit Fachkräften.“ Ein großes Thema dabei sei dieses: „Man klärt auch über den Unsinn eines Gruppendrucks auf.“ Nicht die Clique entscheidet, „nein, jeder soll den richtigen Zeitpunkt selbst bestimmen“, so Sexualpädagoge Gnielka.

Besonders wichtig
ist die Schule

Wie wichtig der Fachunterricht sei, hat auch die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Elisabeth Pott gestern in Berlin herausgestellt: Eine verantwortungsvolle Sexualaufklärung habe dazu geführt, dass Deutschland eine der niedrigsten Teenagerschwangerschaftsraten in Europa habe. „Wir sind weg vom punktuellen verschämten Aufklärungsgespräch nach dem Motto ,Jetzt klär ich dich mal auf’“, sagte Pott weiter. In Zuwandererfamilien und religiös geprägten Elternhäusern handle es sich allerdings weiter um ein Tabuthema. Deshalb nehme die Schule eine wichtige Rolle ein. „Dort entsteht oft Vertrauen zum Lehrer, der Fragen beantworten kann, die sonst niemand beantwortet“, sagte Pott. Verliebtheit könne eben durchaus erlernt werden.

Neben der Aufklärung sei jedoch auch das Elternhaus wichtig. Die Mutter gelte immer noch als erste Ansprechpartnerin, vor allem für die Mädchen, heißt es.

Wer immer noch das Bild einer sexuell verwahrlosten Jugend vor Augen hat, wird wohl auch hier neu denken müssen: Häufiger Partnerwechsel ist nicht mehr angesagt – die Jugendlichen suchten wieder viel häufiger feste Partnerschaften. Und zeigten sich bestens aufgeklärt, was die Verhütung betrifft. „Die Verhütung ist so gut wie noch nie“, sagte Pott. Jungen hätten sich dem Verhalten der Mädchen inzwischen angenähert. Und auch das: Nicht die Ausnahme, sondern die Regel sei es, dass die erste Liebesnacht in einer festen Beziehung stattfindet.

Als Grund gaben die Befragten an, den „Richtigen“ oder die „Richtige“ noch nicht gefunden zu haben. Für zwei Drittel der Mädchen ist das sogar der Hauptgrund. Jungen steht zudem oft die eigene Schüchternheit im Wege und die „Angst, sich ungeschickt anzustellen“.

Treue und Beständigkeit

Auch die Experten suchen nach Gründen: „Es gab Zeiten, in denen die Sexualität revolutioniert wurde, in denen man gegen etablierte Strukturen war, und das waren nicht nur die 68er“, sagte Elisabeth Pott. Sexualpädagoge Gnielka: „Es ist auf jeden Fall so, dass Werte wie Treue und Beständigkeit wieder dominieren.“ Für Jugendliche gelten vor allem wieder Werte wie Nähe und Vertrauen.