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Am Montag geht für tausende Mädchen und Jungen der Stress wieder los. Das neue Schuljahr beginnt, und damit ein anstrengender Lernmarathon.
6.30 Uhr. Der Wecker klingelt. Schlaftrunken und schimpfend krabbeln Kim und Jona aus ihren Betten. Kurz unter die Dusche, frühstücken, Tasche greifen. Kurz nach halb acht bringt ihr Vater sie zur Schule. Die 13-Jährige und ihr zehnjähriger Bruder könnten auch laufen. 15, vielleicht 20 Minuten wären sie unterwegs. „Aber dann”, sagt Kim, „müsste ich ja noch früher aufstehen.”
Kim besucht die 9. Klasse eines Gymnasiums. Turbo-Abiturientin in spe. Deshalb stehen schon seit Jahren weit über 30 Unterrichtsstunden auf dem Wochenplan. Sogar über Samstagsunterricht ist an der Schule schon mal diskutiert worden. Weil kein Schultag mehr vor 14 Uhr endet. „Bloß nicht samstags auch noch Schule”, sagt Kim. „Dann kann ich ja nur noch sonntags ausschlafen.”
Ist das Wetter gut, läuft Kim nach der Schule nach Hause. „Das macht den Kopf frei”, sagt ihre Mutter. „Das macht meine Beine schwer”, sagt Kim. „Das raubt Zeit”, sagen beide.
Mittagessen, dann geht es an die Hausaufgaben. Vokabeltest, Mathe-Klausur, Ge-schichts-Referat. Kim kommt klar, ist aber keine Überfliegerin. „Der Stoff fliegt ihr nicht zu. Sie muss schon viel lernen“, sagt ihre Mutter. „Dabei würde ich oft gerne erst einmal eine Pause machen“, stöhnt ihre Tochter.
Computer und TV
Geht aber meistens nicht. Zweimal die Woche geht sie zum Hockey-Training. Mama bringt sie hin, Papa holt sie ab. Der Verein hat die Trainingszeiten schon nach hinten geschoben. Nach hinten schieben müssen. Weil kaum ein Jugendlicher noch um 15 oder 16 Uhr Zeit hat für Training. Deshalb greift Kim nun bis 18 Uhr, manchmal auch bis 19.30 Uhr zum Schläger. „Sonst hätten wir den Betrieb irgendwann einstellen müssen“, hat der Trainer den Eltern erklärt.
So ist Kim an Trainingstagen selten vor 20 Uhr zu Hause. Ihr Bruder nur wenig früher. Er ist gerade auf die weiterführende Schule gewechselt, die mit dem Montag startenden Schuljahr den „gebundenen Ganztag” eingeführt hat. Was Jona drei Mal die Woche Unterricht bis 15.45 Uhr beschert. „Aber dann”, hat das Gymnasium auf einer Infoveranstaltung versprochen, „sind auch alle Hausaufgaben erledigt. Dann haben die Kinder frei.” Jonas’ Mutter ist noch skeptisch: „Bin gespannt, ob das klappt. Falls nicht, wird Jonas Basketball-Team wohl künftig ohne ihn auflaufen. Und sein Schlagzeugunterricht fällt aus.
Sport und Musik
Nach dem Abendessen verschwinden die beiden in ihren Zimmern. Fernsehen gucken, Videospiele spielen. Zur Not auch mal ein Buch lesen. Lieber chatten sie noch am Computer mit ihren Freunden und Freundinnen. „Außerhalb der Schule sehen wir uns ja kaum noch.“ Denn wenn die beiden mal kein Training haben, sind die anderen an der Reihe. Handball spielt der eine, Rock’n’Roll tanzt die andere, ihr Pferd pflegt die Dritte. Wenn nicht gerade Klavier- oder Nachhilfeunterricht auf dem Programm stehen. Und am Wochenende haben alle gemeinsam keine Zeit. Dafür aber Turniere, Wettkämpfe, Liga-Spiele oder Konzerte.
Dabei sind es nicht die Eltern, die Kim und Jona antreiben. Im Gegenteil. „Die meckern schon, weil sie uns so oft durch die Gegend fahren müssen. Aber Sport und Musik machen uns einfach Spaß.“ Schul-Chor und Tanz-AG sind mittlerweile allerdings auf der Strecke geblieben. „Das war nicht mehr zu schaffen.“
Auch gemeinsame Nachmittage im Schwimmbad oder der Eishalle sind fast unmöglich geworden. „Klappt ganz selten”, sagt Kim. Falls doch, hängt sie deshalb meist eine Übernachtung bei einer Freundin dran. „Dann kann man sich endlich mal in Ruhe unterhalten.” Und träumen. Von den Herbstferien zum Beispiel. Ist ja gar nicht so lange hin. „Sechs Wochen noch”, sagt Kim. „Dann habe ich endlich wieder Zeit.”