Copiapo.
Die seit 18 Tagen unter Tage eingeschlossenen 33 Bergleute in Chile sind wohlauf. Am Montag erhielten sie zum ersten Mal seit dem Unglück frisches Wasser, Nahrung und Medikamente .
Über einen Schlauch wurden die Vorräte in 700 Meter Tiefe geschickt, wo die Bergleute bei relativ guter gesundheitlicher Verfassung auf ihre Rettung warten. Als Nahrung wurde ihnen eine Glukoselösung geschickt. Die Medikamente sollen Magengeschwüre verhindern.
Über Funktelefon konnten die Kumpel den Helfern und Regierungsvetretern von ihren Überlebensstrategien der vergangenen Tage berichten. „Sie haben alle 48 Stunden zwei Löffel Thunfisch gegessen und ein halbes Glas Milch getrunken“, sagte Isabel Allende, die Senatorin für die Nord-Region, in der die Mine liegt. Allende zufolge gab jeder Bergarbeiter in einer individuellen, über die Sonde nach oben geleiteten Botschaft Auskunft über seinen Gesundheitszustand. „Es war bewegend, diese von jedem einzelnen geschickten Röllchen zu sehen“, sagte die Tochter des 1973 ermordeten chilenischen Präsidenten Salvador Allende.
„Herr Minister, es geht uns allen gut“
Bergbauminister Laurence Golborne, sagte, die Männer hätten in den vergangenen Tagen das Wasser getrunken, das von den Höhlenwänden lief. „Sie haben nach Nahrung und Zahnbürsten verlangt und nach etwas für ihre Augen“, die unter dem Staub leiden. Das chilenische Fernsehen zeigte am Montagabend Bilder von Golborne und den Rettungskräften, die um einen Telefonhörer herumstehen und mit den Verschütteten sprechen.
„Herr Minister, es geht uns allen gut“, sagte einer der Bergleute, der sich als „Luis Urzua, Schichtleiter“ vorstellte. Der Arbeiter fragte den Minister nach dem Schicksal der Kollegen, die zum Zeitpunkt des Einsturzes der Mine auf dem Weg nach draußen waren. „Alle sind unversehrt herausgekommen“, sagte Golborne. „Es gab keine Opfer.“ Die Verschütteten reagierten auf die Nachricht mit lautstarkem Jubel und riefen den bei Sportveranstaltungen üblichen Schlachtruf „Chi-chi-chi Le-le-le“. Dann sangen sie die Nationalhymne.
Erst Weihnachten wieder am Tageslicht?
Bereits am Tag zuvor hatte die Ärztin Paula Newman nach einem Gespräch mit den Bergleuten gesagt, die 33 eingeschlossenen Bergleute seien in einem „perfekten Gesundheitszustand“. Möglicherweise müssen die Kumpel aber noch bis Weihnachten warten, wieder ans Tageslicht zu kommen.
Die Ärztin unterhielt sich mit den Verschütteten etwa eine Stunde lang über ein Funkgerät, das über einen schmalen Schacht heruntergelassen wurde. Durch denselben Schacht wurden später auch Nahrung und Wasser zu den Arbeitern befördert werden.
Laut dem mit der Leitung der Bergungsarbeiten betrauten Chefingenieur Andres Sougarret braucht es mindestens vier Monate und stärkere Bohrmaschinen, um einen Schacht in den instabilen Grund zu bohren, der für die Bergung der Männer breit genug wäre. Eine dazu verwendbare Bohrmaschine traf am Montag am Ort der Unglücksmine ein. Vor der Bohrung muss laut Sougarret eine Studie über die Bodenbeschaffenheit angefertigt werden. Es müsse geklärt werden, an welcher Stelle durch die Bohrung keine weiteren Einstürze verursacht werden.
Seit 5. August 700 in 700 Meter Tiefe verschüttet
Die Bergarbeiter harren seit dem 5. August in knapp 700 Metern Tiefe unter Tage aus. Damals stürzte die kleine Gold- und Kupfermine San José am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, ein. Am Sonntag schickten die Verschütteten über eine Sonde zwei kleine Briefe als erstes Lebenszeichen an die Außenwelt und lösten damit einen landesweiten Freudentaumel aus.
Kollegen gingen davon aus, dass die Verschütteten sich in einem 1,5 bis 1,8 Kilometer langen Abschnitt aufhalten. „Sie haben genügend Platz da unten“, sagte der Bergarbeiter Gine Enzano. „Da passen locker mehr als 50 Menschen mitsamt Maschinen rein.“
Eine in die Mine heruntergelassene Mini-Kamera zeigte die schwitzenden Bergleute mit nackten Oberkörpern in dem in 700 Metern Tiefe gelegenen Schutzraum. Dort ist es bei Temperaturen von bis zu 36 Grad Celsius feuchtheiß. „Viele von ihnen haben sich der Kamera genähert und ihr wie Kinder ihre Gesichter entgegengestreckt“, sagte Staatschef Piñera. „Wir konnten ihre Freude und ihre Hoffnung in ihren Augen sehen.“
Keine Lohnfortzahlung für Eingeschlossene
Der Minenbetreiber, die chilenische Gruppe San Esteban, teilte mit, sie werde die Löhne der Verschütteten vermutlich nicht weiterzahlen können. „Das ist schwierig“, sagte einer der Firmenchefs, Alejandro Bohn, dem Radiosender Cooperativa auf eine entsprechende Frage. „Es hängt von unseren Gesprächen mit den Behörden ab.“ Die Firma sei nicht groß, und die nun stillgelegte Mine San José sei die einzige, die das Unternehmen betreibe. Nach Angaben des Anwalts der Firma, Hernan Tuane, könnte San Esteban angesichts der Zahlungsschwierigkeiten den Bankrott erklären.
Die Unglücksmine bei Copiapo wurde erstmals im Jahr 1889 in Betrieb genommen und 2007 nach einem tödlichen Unfall zunächst geschlossen. Erst im vergangenen Jahr wurde die Mine wieder eröffnet. Allein in diesem Jahr kamen in Chile bislang 31 Bergarbeiter ums Leben. Der chilenische Präsident Sebastian Pinera kündigte eine Verschärfung der Sicherheitsvorschriften in den Minen des Landes an. (afp)