Berlin. .
Horst Köhler hat parteiübergreifend großes Bedauern mit seinem Rücktritt ausgelöst. Viele respektieren den Schritt. Andere halten ihn für überzogen.
Kanzlerin Angela Merkel hat mit Bestürzung auf den überraschenden Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler reagiert. „Ich bedauere diesen Rücktritt aufs allerhärteste“, sagte die CDU-Vorsitzende am Montag in Berlin. Sie habe erfolglos versucht, Köhler noch umzustimmen.
Merkel sagte, sie habe um 12 Uhr mit Köhler telefoniert - zwei Stunden vor der Pressekonferenz, auf der Köhler seinen Rücktritt bekanntgab. „Ich war überrascht von dem Telefonat“, erklärte sie.
„Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland sehr traurig sein werden über den Rücktritt“, sagte Merkel. Sie habe mit Horst Köhler immer gut zusammengearbeitet. Er sei ihr ein wichtiger Ratgeber gewesen. Köhler habe „wichtige Arbeit für Deutschland“ geleistet und das Ansehen des Landes gestärkt. Es bleibe „ein tiefes Bedauern über diesen Schritt“, aber es gelte, ihn zu respektieren, sagte Merkel.
Auch Bundesaußenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) versuchte vergebens, Horst Köhler von seinem Rücktritt abzuhalten. Köhler habe ihn am Mittag telefonisch über seine Entscheidung informiert, sagte Westerwelle am Montagnachmittag in Berlin. „Ich habe versucht, ihn umzustimmen, der Bundespräsident hat sich aber so entschieden.“ Westerwelle sagte weiter, er bedauere den Schritt „aus vollem Herzen“, habe ihn aber zu respektieren. Er danke Köhler für die Arbeit, die er für die Bürger geleistet habe.
Historisch einmaliger Vorgang
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus nannte den Schritt einen „historisch einmaligen Vorgang“. Mappus sagte in Stuttgart, der Vorgang sei auch deshalb spannend, weil sich die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung seit Mai geändert hätten.
Mappus sah in der Kritik an Köhler „keinen Grund für einen Rücktritt“, die Entscheidung sei aber zu respektieren. Das Amt des Bundespräsidenten ist nach Mappus Meinung nicht beschädigt, „es ist aber auch nicht von Vorteil, wenn in der größten Finanz- und Wirtschaftskrise das größte Land in Europa plötzlich ohne Staatsoberhaupt dasteht“.
Der Rücktritt Köhlers hat Deutschland aus Sicht von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in eine „schwierige Situation gebracht“. Jeder müsse jetzt seinen Beitrag für stabile Verhältnisse leisten, sagte Rüttgers. „Ich persönlich werde meinen Teil tun, damit NRW schnell eine neue Landesregierung bekommt.“ Rüttgers nahm den Rücktritt mit Respekt zur Kenntnis und bedauerte den Entschluss Köhlers.
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger würdigte Köhler als „Bürgerpräsidenten im besten Sinne“. „Er hat wichtige Debatten in unserer Gesellschaft angestoßen. Seine mahnenden Worte wurden gehört“, sagte sie. Der Bundespräsident habe sich bis zuletzt auf die Unterstützung durch die Liberalen verlassen können. „Wir alle sind dem Bundespräsidenten zu großem Dank verpflichtet.“ „Der Bundespräsident hat sich während seiner Amtszeit im In- und Ausland höchste Anerkennung erworben.“
FDP gibt Opposition die Schuld
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bedauerte den Rücktritt ebenfalls. „Horst Köhler war ein Bundespräsident, der während seiner gesamten Amtszeit das erste Amt im Staate mit großer Ernsthaftigkeit und Würde ausgefüllt hat“, sagte Seehofer in München. Köhler habe sich die Sympathien der Bürger in Deutschland und hohe Anerkennung im Ausland erworben. Seehofer fügte hinzu: „Ich nehme seine Rücktrittsentscheidung mit Bedauern und die Begründung seiner Entscheidung mit großem Respekt zur Kenntnis.“
Der FDP-Fraktionsvizechef im Bundestag, Jürgen Koppelin, sieht die Schuld für den Rücktritt bei der SPD, den Grünen und der Linken. Die Kritik der drei Parteien an Köhler sei „so niveaulos“ gewesen, sagte Koppelin im NDR. Insbesondere Aussagen von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin seien „bösartig“ gewesen und „ins Persönliche gegangen“.
Trittin hatte Köhler nach dessen verunglückten Äußerungen zu deutschen Kriegseinsätzen mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke verglichen, der sich öfters mit Äußerungen blamierte. Koppelin sagte, solche Vergleiche hätten die Person diffamiert. Köhler sei ein ausgesprochen guter Bundespräsident gewesen.
SPD würdigt Köhler
SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt dagegen der schwarz-gelben Koalition die Schuld. „Dieser Schritt ist nur erklärbar, wenn man sieht, wie stark ausgerechnet diejenigen, die Horst Köhler gewählt haben, ihm die Unterstützung entzogen haben“, sagte Gabriel am Montag in Berlin und fügte hinzu: „Ich bedaure den Schritt des Bundespräsidenten außerordentlich.“
Wie die übergroße Mehrheit der Deutschen habe er die Amtsführung des Bundespräsidenten und auch Köhler als Person immer sehr geschätzt. „Daran ändern auch unterschiedliche Einschätzungen in einzelnen Fragen der Tagespolitik nichts“, sagte Gabriel.
Köhler sei kein bequemer Bundespräsident gewesen, und das habe er erklärtermaßen auch nicht sein wollen. „Offensichtlich hat Horst Köhler in den letzten Wochen den Eindruck gewonnen, dass er in der CDU/CSU/FDP-Koalition zu wenig Rückhalt hatte. Das ist kein guter Tag für die politische Kultur in Deutschland“, sagte Gabriel.
Mit Unverständnis und Bedauern reagierten die Linken auf den Rücktritt. Er halte diesen „für etwas übertrieben“. „Auch als Bundespräsident muss er Kritik aushalten“, sagte Fraktionschef Gregor Gysi am Montag in Berlin. Linken-Chefin Gesine Lötzsch sagte: „Horst Köhler hat nichts anderes gemacht, als die Wahrheit gesagt: Er hat die Katze aus dem Sack gelassen.“
Gysi sagte, er bedauere den Rücktritt. Er habe erwartet, dass Köhler sich mit seiner eigenen Begründung zum deutschen Afghanistan-Einsatz kritisch auseinandersetze. Der Rücktritt spreche jedoch für die Ehrlichkeit Köhlers. „Andere Parteien haben uns immer versucht einzureden, die Bundeswehr verteile dort Schultüten.“
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bedauerte den Rücktritt von Köhler. Er empfinde seinen Rücktritt persönlich als herben Verlust, denn Köhler habe viel für das Land geleistet, erklärte der katholische Geistliche am Montag. Er sei eine Person mit hohem Vorbildcharakter, allgemeiner Anerkennung in der Öffentlichkeit und einem besonderen Interesse für die Kirchen gewesen. Die Bischofskonferenz sei dankbar für das, was er für die Bundesrepublik getan habe.
Grüne: Anfang vom Ende der schwarz-gelben Regierung
Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler sehen die nordrhein-westfälischen Grünen auch die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung vor dem Aus. „Der Rücktritt Köhlers ist der Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb im Bund. Köhler war der Bundespräsident von Union und FDP. Er vertrat wie diese Parteien eine Politik, die keine Mehrheit mehr in Deutschland hat“, teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke mit. „Schwarz-Gelb in NRW ist bereits abgewählt. Mit dem Rücktritt Köhlers wird es für CDU-Kanzlerin Angela Merkel einsamer in der schwarz-gelben Koalition in Berlin“, so die Grünen-Chefs weiter.
Der neue niedersächsische SPD-Vorsitzende Olaf Lies schlug unterdessen indirekt Margot Käßmann für das Amt des Bundespräsidenten vor. Nach dem Rücktritt von Horst Köhler sei es an der Zeit, „dass jemand, der die Sorgen und Nöte der Menschen fest im Blick hat, wie zum Beispiel Margot Käßmann, dieses Amt ausfüllt“, sagte Lies in Hannover. Den Rücktritt Köhlers bezeichnete er als „konsequent und folgerichtig“. „Mit seinen undifferenzierten Äußerungen zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland hat er sich für das höchste Staatsamt disqualifiziert“, sagte Lies. (apn/ddp/afp)