Berlin. .

Vor Horst Köhler ist bisher nur ein einziger Bundespräsident zurückgetreten: Heinrich Lübke hatte nach Vorwürfen wegen seiner Vergangenheit in der NS-Zeit das Amt aufgegeben. Neuwahl innerhalb von 30 Tagen.

Vor Horst Köhler hat bislang nur ein Bundespräsident vorzeitig seinen Amtsverzicht erklärt: Heinrich Lübke tat dies im Oktober 1968. Offiziell erfolgte seine Demission allerdings erst zum Ende seiner zweiten Amtsperiode am 30. Juni 1969. Lübke hatte zuvor die öffentlich gegen ihn erhobenen Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen, er sei als oberster Bauleiter in der Heeresversuchsanstalt und Luftwaffenerprobungsstelle Hitler-Deutschlands in Peenemünde an der Ostsee für den menschenverachtenden Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen verantwortlich gewesen.

In der Mitte der 60er Jahre waren Dokumente über Lübkes Verstrickung in die Sache aufgetaucht, die zum Teil vermutlich vom Ministerium der Staatssicherheit der DDR manipuliert waren, die Vorwürfe gegen Lübke aber nach Ansicht von Historikern im Kern belegten. Am meisten zu seiner Diskreditierung dürfte Lübke aber selber durch seine verbalen Patzer beigetragen haben.

Mit Horst Köhler hat nun erstmals ein Bundespräsident „mit sofortiger Wirkung“ von seinem Amt erklärt. Damit ist der momentan amtierende Bundesratsvorsitzende, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD, Foto oben rechts), der Vertreter Köhlers als Staatsoberhaupt.

Präsident des Bundesrates ist Stellvertreter

Der Präsident des Bundesrates ist zugleich Stellvertreter des Bundespräsidenten. Artikel 57 des Grundgesetzes legt fest, dass die Befugnisse des Bundespräsidenten „im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes“ vom Bundesratspräsidenten wahrgenommen werden. Protokollarisch wird der Bundesratspräsident wegen dieser Vertreterfunktion oft als „Nummer Zwei“ nach dem Bundespräsidenten angesehen. Eine verbindliche Festlegung der protokollarischen Rangordnung gibt es in der Bundesrepublik aber nicht.

Jedes Jahr am 1. November übernimmt einer der Ministerpräsidenten das Amt des Bundesratspräsidenten. Die Wahl erfolgt nach einer festgelegten Reihenfolge, die durch die Einwohnerzahl der Länder bestimmt wird. Der Turnus beginnt mit dem Regierungschef des Landes mit den meisten Einwohnern. Derzeit ist mit Jens Böhrnsen der Bürgermeister des kleinsten Bundeslandes Bremen Vorsitzender der Länderkammer. Zu seinen sonstigen Aufgaben gehört die Einberufung und Leitung der Plenarsitzung des Bundesrats. Auch vertritt er die Bundesrepublik rechtlich in allen Angelegenheiten des Bundesrates.

Artikel 54 des Grundgesetzes legt fest, dass diese Vertretung längstens 30 Tage andauern darf. Spätestens dann muss die Bundesversammlung zusammentreten, um ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und der gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.

Die Wahl des Bundespräsidenten in Stichworten:

- Zum Bundespräsidenten kann jeder Deutsche gewählt werden, der das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und mindestens 40 Jahre alt ist.

- Das Staatsoberhaupt wird von der Bundesversammlung auf fünf Jahre gewählt. Eine Wiederwahl ist nur einmal zulässig.

- Die Bundesversammlung ist ein Verfassungsorgan, das nur die Aufgabe hat, den Bundespräsidenten zu wählen. Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und der gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.

- Spätestens 30 Tage nach dem Rücktritt des Präsidenten muss die Bundesversammlung zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupt zusammentreten. Sie wird vom Präsidenten des Bundestags einberufen.

- Der Bundespräsident steht als Staatsoberhaupt protokollarisch an der Spitze des Staates. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die völkerrechtliche Vertretung des Bundes, die Unterzeichnung der vom Bundestag verabschiedeten Gesetze, die Ernennung des Bundeskanzlers sowie die Verkündung des Verteidigungsfalls nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestages.

- Der Bundespräsident darf kein anderes Amt ausüben. (ddp)