Berlin. .

Die Motive sind unterschiedlich, doch letztendlich sind sich norddeutsche und süddeutsche Länder in der Atomfrage einig - jeweils. Während die Südländer die Meiler länger laufen lassen wollen, spricht sich der Norden für ein rasches Ende aus.

Politische Debatten verlaufen meist entlang von Parteigrenzen, oft auch zwischen Fachpolitikern. Das ist auch in der derzeitigen Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken so. So lehnen SPD und Grüne die Korrektur des von ihnen vereinbarten Atomausstiegs vehement ab. Die Umweltpolitiker der schwarz-gelben Koalition wiederum plädieren nur für eine kurze Laufzeitverlängerung, während die Wirtschaftspolitiker darauf pochen, die Atommeiler möglichst lange zu nutzen.

Allerdings kommt in der Atom-Debatte noch eine geografische Frontstellung dazu, die vor allem in der Union sichtbar wird. Immer klarer zeichnet sich ein klarer Nord-Süd-Konflikt ab, der in den kommenden Wochen noch deutlicher werden wird.

Atomfreundlicher Süden, Desinteresse im Norden

So argumentieren Bayern und Baden-Württemberg vehement für lange Laufzeiten, weil in beiden Ländern die meisten Kraftwerke stehen und die Industrie den Atomstrom weiter nutzen will. Das erklärt die vehemente Opposition des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus gegen seinen Parteifreund, Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Der wiederum kommt aus Nordrhein-Westfalen - wo Atomstrom nur aus anderen Ländern bezogen wird. Und das erklärt, dass Röttgen wie die meisten anderen NRW-Unionspolitiker nur eine moderate Laufzeitverlängerung anstrebt und wenig Interesse daran hat, große gesellschaftliche Proteststürme zu entfachen.

Niedersachsen will nicht zum „Atomklo der Republik“ werden

Röttgens stärkster Verbündeter kommt derzeit nicht ohne Grund aus Niedersachsen: Ministerpräsident David McAllister hat ebenfalls einen ganz anderen Blick auf die künftige Energieversorgung als seine Unions-Kollegen im Süden. Zwar gibt es auch in Niedersachsen Atomkraftwerke. Aber während im Süden die meisten Kraftwerke brummen, sieht sich Niedersachsen zunehmend als „Atomklo der Republik“. Auch CDU-Ministerpräsident McAllister kritisiert deshalb, dass er sich in seinem Bundesland mit einem möglichen Endlager für stark radioaktiven Müll in Gorleben sowie den Problemen mit Schacht Konrad und Asse für mittel- und schwachaktiven Atommüll herumschlagen soll, während im Süden nicht einmal nach Endlagern gesucht werden darf.

Außerdem forcieren gerade die nördlichen unionsgeführten Bundesländer wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Nutzung regenerativer Energie wie Windkraft oder Biomasse. Niedersachsen sieht zudem die geplanten Investitionsentscheidungen für neue Kohlekraftwerke im Land gefährdet, sollten die Atommeiler zu lange weiter laufen dürfen. Das unionsgeführte Hamburg zählt ohnehin nicht zu den Atomfans unter den Ländern.

Das ist deshalb wichtig, weil die vom Süden gewünschte Laufzeitverlängerung um mehr als 14 Jahre möglicherweise vom Bundesrat abgenickt werden muss - wo eine Mehrheit kaum möglich scheint.

Besonders laute Töne aus de m Süden

Auch in der Unions-Bundestagsfraktion laufen die Fronten entlang der Landsmannschaften. Das Südlager ist da schon kraft der Ämter lautstärker: Es stellt mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder (Baden-Württemberg), seiner FDP-Kollegin Birgit Homburger (Baden-Württemberg) und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich (Bayern) derzeit das gesamte schwarz-gelbe Führungstrio. Außerdem stammen der energie- und der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Bareiß und Joachim Pfeiffer, beide aus Baden-Württemberg.

Das schafft den Eindruck entschlossener Geschlossenheit - der aber möglicherweise trügt. So meldete sich der nicht unwichtige Parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier aus dem Saarland mit dem Hinweis zu Wort, dass nichts entschieden sei. Und der niedersächsische CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg, der mit seiner beruflichen Vergangenheit bei Energiekonzernen alles andere als ein Hardliner gegen Atomkraft ist, forderte seine Parteikollegen im Süden auf, sich doch bitte erst einmal um das Thema Entsorgung zu kümmern, bevor sie lange Laufzeiten fordern.

Völlig unklar ist, wie sich die Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr 2011 auf die Debatte auswirken wird. Derzeit versucht Mappus noch, einen deutlich industriepolitischen Kurs durchzudrücken. In der Südwest-CDU gibt es angesichts schlechter Umfragewerte für die dortige schwarz-gelbe Koalition aber auch schon Planspiele für ein mögliches schwarz-grünes Bündnis. (rts)