Berlin..

Zum ersten Mal sollte es im Gorleben-Ausschuss wirklich inhaltlich zur Sache gehen. Doch ein Sachverständiger musste sich auf sehr allgemeine Erklärungen beschränken. Ergebnis waren äußerst hitzige Diskussionen zwischen den Mitgliedern.

Eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke mag Steuermilliarden sprudeln lassen oder auch nicht, auf jeden Fall aber wird sie zusätzlichen Atommüll produzieren. Und was das ein Problem ist, zeigte die erste öffentliche Sitzung des Gorleben-Untersuchungsauschusses, die prompt mit einem Eklat losging. Einem Sachverständigen wurde untersagt, ausgerechnet über das zu reden, worum es eigentlich geht: eben Gorleben. Der Abgeordnete Marco Bülow, der für die SPD im Ausschuss sitzt, ist empört: „Ein Gorleben-Ausschuss, in dem nicht über Gorleben gesprochen werden darf, das ist ja wohl ein Witz.“

Zum ersten Mal sollte es im Ausschuss wirklich inhaltlich zur Sache gehen. Mit den Geologen Wernt Brewitz und Joachim Kreusch hatten sich die Parlamentarier unter Führung von Maria Flachsbarth (CDU) zwei Sachverständige ins Haus geholt, die über Risiken und Nebenwirkungen der Lagerung strahlenden Abfalls referierten und zum allgemeinen Wissensstand im Jahr 1983 befragt wurden. Beide Wissenschaftler gehörten bereits dem 1998 von Rot-Grün eingesetzten Arbeitskreis „AKEnd“ an, der Rahmenbedingungen eines ewig sicheren Atomgrabes erarbeiten sollte.

Maulkorb für Geologen

Doch was vor allem Kreusch zu dieser Thematik hätte beitragen können, erschien wohl manchem Mitglied des Ausschusses zu heikel. In einem schriftlichen Gutachten hatte er schon vor seinem Auftritt vor dem Ausschuss mitgeteilt, dass bereits 1983 Zweifel an der Tauglichkeit des Standortes Gorleben bestanden hätten. Das Deckgebirge sei zum Beispiel als Barriere gegen möglicherweise austretende strahlenbelastete Grundwässer untauglich gewesen, dies sei auch damals schon bekannt gewesen.

Diese oder andere konkrete Kritikpunkte dem Ausschuss vorzutragen, unterband die Vorsitzende Maria Flachsbarth (CDU) jedoch umgehend. Der Sachverständige solle sich auf allgemeine Erklärungen zu der „sehr komplexen Materie der Endlager-Suche“ beschränken. Diese Ankündigung führte zu hitzigen Diskussionen unter den Mitgliedern des Auschusses und schlißelich zu einer Unterbrechung der Sitzung. Erst nach einer Stunde ging es weiter, tatsächlich sprach Kreusch dann nur noch über die wissenschaftliche Methodik bei der Auswahl von Endlager-Standorten. Informativer als das Selbststudium bei Wikipedia war das allemal. „Aber für so etwas hätten wir auch keinen ganzen Sitzungstag gebraucht“, kritisierte Marco Bülow. Der Sitzungsverlauf zeigt deutlich, dass das Endlager-Problem auch 27 Jahre später fern einer Lösung ist..

Der Ausschuss soll ans Tageslicht fördern, ob die Entscheidung der Regierung Kohl 1983 für ein Endlager in Gorleben - im bevölkerungsarmen Wendland nahe der ehemaligen Zonengrenze - eine politisch motivierte war und damit das ganze Projekt womöglich endgültig diskreditiert wäre. Für Schwarz-Gelb steht daher eine Menge auf dem Spiel: Erst im März hatte Umweltminister Norbert Röttgen angekündigt, nach zehnjähriger Pause bald die Erkundungsarbeiten im Wendland wieder aufzunehmen. Ohne Gorleben – und eine andere Option gibt es zurzeit nicht - gäbe es kein Endlager und damit rückten auch die geplanten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken in unerreichbare Ferne.