Berlin. .
Die Kundus-Affäre spitzt sich zu: Nach dem Auftritt des geschassten Generalinspekteurs Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss wächst der Druck auf Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg. Die Opposition sieht den Minister „schwer belastet“.
Nach der Befragung des früheren Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und des Ex-Verteidigungsstaatssekretärs Peter Wichert vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages wächst der Druck auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion,Thomas Oppermann, sagte der „Berliner Zeitung“, wenn Guttenberg im Zusammenhang mit einer zentralen Führungsentscheidung gelogen haben sollte, sei er als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar.
Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte am Freitag im ARD-Morgenmagazin, Guttenberg müsse zurücktreten, wenn er der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten habe. „Ich bin der Meinung, dass der Minister zurücktreten muss, wenn wir ihn der Lüge überführt haben, wenn wir klargestellt haben, dass er gelogen hat“, sagte der Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss. Ob Guttenberg tatsächlich gelogen habe, könne er noch nicht sagen. Er sei im Ausschuss aber belastet worden und es sei noch einiges „ungereimt“.
Guttenberg war über den Kundus-Luftschlag offenbar frühzeitiger umfassend informiert als bisher eingeräumt. Das ergab am Donnerstag eine mehrstündige Befragung Schneiderhans und Wicherts vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin. Beide waren von Guttenberg mit der Begründung entlassen worden, ihm Berichte zu dem Luftschlag am 4. September 2009 vorenthalten zu haben.
„Offensichtlich gelogen“
Der Obmann der Linken im Ausschuss, Jan van Aken, betonte, Guttenberg habe „offensichtlich gelogen“, als er angegeben hatte, über den Luftschlag von Kundus nicht ausreichend informiert worden zu sein. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte, Guttenberg habe bei seiner ersten Bewertung offensichtlich „vorschnell“ entschieden. „Er hätte sich besser auf seine Berater verlassen sollen.“
Sowohl Schneiderhan als auch Wichert bestritten die Bedeutung des strittigen Feldjägerberichts für eine qualifizierte Einschätzung. Wichert sagte, Guttenberg hätte alle notwendigen Informationen zum Kundus-Luftschlag gehabt. Laut Schneiderhan lagen die zur Bewertung erforderlichen Informationen dem Minister bereits zwei Tage vor seiner später revidierten Einschätzung vor.
Wichert: Alle relevanten Fakten waren vorhanden
Wichert zufolge waren mit dem vorliegenden ISAF-Bericht „alle für die Beurteilung des Geschehens irgendwie relevanten Fakten vorhanden“ gewesen. Auch Schneiderhan wies vor dem Ausschuss Vorwürfe zurück, in der Kundus-Affäre seien wichtige Informationen für die politische Führung unterschlagen worden. Guttenberg hatte bislang betont, ihm hätten für seine Einschätzung des Militärschlags wichtige Unterlagen nicht vorgelegen.
Wichert sagte, er habe den Feldjägerbericht erst nach der Veröffentlichung in den Medien im November gelesen. Allerdings seien die darin enthaltenen Informationen für die Bewertung des Luftangriffes „überflüssig“ gewesen. Dennoch habe Schneiderhan dem Minister nach der Medienveröffentlichung auf dessen Nachfrage alle Berichte, darunter auch den Feldjägerbericht, genannt.
In dem Gespräch mit Guttenberg habe man dem Minister zudem zugesagt, ihm alle Berichte bis zum Abend vorzulegen. Allerdings habe der Minister ihn und Schneiderhan am späten Nachmittag entlassen, sagte Wichert. Der General sagte zu seinem erzwungenen Ausscheiden: „Es war die Begleitmusik, die mich gestört hat, nicht die Entscheidung.“
Rolle der „Gruppe 85“ bestritten
Beide ehemalige Spitzenbeamte bestätigten zugleich, dass es im Verteidigungsministerium kurz nach dem Luftschlag eine sogenannte „Gruppe 85“ gab. Diese Gruppe sollte einem Bericht von „Spiegel Online“ zufolge unter anderem Einfluss nehmen auf den ISAF-Abschlussbericht. Disqualifiziert werden sollte auch der sogenannte Feldjägerbericht, der dem verantwortlichen Oberst Georg Klein Versäumnisse attestiert hatte. Wichert sagte dazu, die „Gruppe 85“ habe lediglich darauf achten wollen, dass es keine „einseitige Untersuchung“ gebe und im Nato-Bericht auch „entlastende Momente für Oberst Klein“ behandelt würden.
Schneiderhan bekräftigte seine Einschätzung des Angriffs auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastzüge bei Kundus in Nordafghanistan als „militärisch angemessen“ mit den Worten: „Ich bleibe bei meinem Urteil“. Denn in Afghanistan, wo insbesondere in Kundus kriegsähnliche Zustände herrschten, sei das „Ende der herkömmlichen militärischen Entscheidungskriterien“ gekommen. Die „militärische Form der Kampfführung des Gegners“ setze den Rahmen für das Handeln der Soldaten. Das sollte auch bei der Bewertung der Entscheidungen von Oberst Klein nicht vergessen werden.
Klein hatte am 4. September vergangenen Jahres den Luftschlag von Kundus befohlen, bei dem bis zu 142 Menschen ums Leben kamen. Als Grund hatte er vor dem Untersuchungsausschuss angegeben, er müsse seine Soldaten schützen. Kundus war in den vorangegangenen Monaten immer mehr zu einem zentralen Ziel von Angriffen der Taliban geworden, bei denen mehrere Bundeswehrsoldaten verletzt und getötet wurden. (ddp/afp)