Berlin. .
Nach fast 44 Jahren als Soldat wurde Wolfgang Schneiderhan vom Bundesverteidigungsminister schneidig vor die Tür gesetzt. Vor dem Bundestagsausschuss schilderte der entlassene Generalinspekteur jetzt seine Sicht der Dinge.
Wolfgang Schneiderhan, 63 Jahre alt, Schwabe, bis vor wenigen Wochen der 1. Soldat der Republik, verweist am Ende seiner fast zweistündigen Tour durch Aktenvermerke, komplizierte militärische Sachverhalte und Gesprächsfetzen leise darauf, dass er sich in Ermangelung anderer Verabschiedungen schriftlich bei der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten „abgemeldet“ hat.
Es ist an diesem Tag der vorerst letzte Hieb eines tief gekränkten Mannes. Seinen Rauswurf aus dem Dienst im Zuge der Kundus-Affäre hat er bis heute nicht verwunden; nach fast 44 Jahren Soldatendasein keine Überraschung. Was umso mehr für den Stil gilt, den der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr an diesem sonnigen Früh-Frühlingstag im Berliner Marie-Lüders-Haus wählt, um vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Dinge aus seiner Sicht ins Lot zu setzen.
Wie und warum sie durcheinander geraten sind, hat man ja schon beinahe wieder vergessen. Zwei Daten spielen die entscheidende Rolle: Am 6. November bezeichnet der frisch ins Amt geratene Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) den Luftschlag von Kundus, bei dem am 4. September 2009 in Nordafghanistan auf Geheiß des deutschen Oberst Georg Klein Tanklaster und Menschen bombardiert worden waren, als „militärisch angemessen“, trotz mannigfacher Verfahrensfehler. Keine vier Wochen später, am 3. Dezember, rudert der CSU-Politiker komplett zurück, spricht im Bundestag von einem „militärisch nicht angemessenen Einsatz“. Und beruft sich dabei auf neue Dokumente, die ihm „vorenthalten“ worden seien. Von diesen beiden: Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert. Sie wurden am 26. November von Guttenberg entlassen. Begründung: Ge-störtes Vertrauensverhältnis.
Schneiderhan jedenfalls weist die Anschuldigungen gegen seine Person komplett zurück. Er fühlt sich von vielen Medien, von den Bundestagsfraktionen, vom Ministerium und, natürlich, vom Minister selbst teils absichtsvoll, teil fahrlässig via Indiskretionen ins Unrecht gesetzt. Schneiderhan nimmt für sich in Anspruch, beide Minister – zu Guttenberg (CSU) wie dessen Vorgänger Franz-Josef Jung (CDU) – im Fall Kundus uneingeschränkt so gut informiert und beraten haben, dass diese stets „entscheidungs- und urteilsfähig“ waren. Bereits wenige Tage nach dem weltweit diskutierten Luftschlag, der bis zu 142 Menschenleben forderte, habe er auch den Bundestagsfraktionen mitgeteilt, dass unter den Opfern „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten“ waren.
Dass dies vom damals Dienst habenden Vize-Sprecher des Verteidigungsministeriums beklagenswert kommuniziert wurde, steht für den Ex-General felsenfest. Außerdem will Schneiderhan, was viel wichtiger wäre, wenn es denn stimmt, Guttenberg mit Nachdruck (und zwar vor dessen erster Bewertung der Ereignisse...) zu „Zurückhaltung und Vorsicht geraten“ haben. Den Bericht der Bundeswehr-Feldjäger, von dem Guttenberg aus der „Bild“-Zeitung erfahren haben will und deshalb Schneiderhan wie Wichert entließ, bewertet der Ex-Generalsinspekteur auch im Rückblick als in hohem Maße unzuverlässig, spekulativ und der Aufklärung der Ereignisse in Kundus absolut undienlich. Guttenbergs Vorgänger Jung habe den Feldjäger-Bericht gekannt. In Absprache mit Jung sei das Schriftwerk in das übergeordnete Berichtswesen der Nato – federführend für die Untersuchung – eingeflossen. Daraus den Vorwurf der Unterschlagung zu konstruieren, sagt Schneiderhan, sei „ehrabschneidend“.