Berlin. .

Bundeskanzlerin Merkel hat die Rekordverschuldung verteidigt und einen harten Sparkurs angekündigt. SPD-Fraktionschef Steinmeier startete die Generaldebatte im Bundestag mit scharfen Angriffen gegen Schwarz-Gelb: So schlecht sei Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht den Haushalt 2010 mit der Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro ohne Alternative. In diesem Jahr müsse weiter jene Krise bekämpft werden, die zu einem dramatischen Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent geführt habe, sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestages in Berlin. Doch zeigten die konjunkturbelebenden Maßnahmen, darunter auch die familienpolitischen Leistungen, erste Wirkungen.

Zugleich schwor Merkel die Bundesbürger auf härtere Zeiten ein. „Wir werden schwierige Sparmaßnahmen vor uns haben“, sagte die Kanzlerin unter Verweis auf ein strukturelles Haushaltsdefizit von 66 bis 67 Milliarden Euro in den Jahren 2011 bis 2015. „Das heißt, wir müssen pro Jahr zehn Milliarden Euro abbauen.“ Dies sei nur mit einem „harten Sparkurs“ möglich. Um den Aufschwung aber nicht zu gefährden, plane die Bundesregierung eine „kluge Exit-Strategie“ aus den staatlichen Konjunkturprogrammen.

Sprahaushalt wäre die falsche Antwort gewesen

Merkel begründete den neuen Sparkurs mit der Sorge der Menschen, dass der Haushalt in diesem Jahr zu 25 Prozent über Schulden finanziert werde. Eine Neuverschuldung von 80,2 Milliarden Euro bedeute umgerechnet 1000 Euro pro Einwohner, hinzu kämen 460 Euro an Zinsen. Damit werde jeder zehnte Euro heute schon für Zinszahlungen ausgegeben. Doch wäre angesichts der tiefen Krise ein Sparhaushalt die falsche Antwort gewesen.

Die Koalition wird laut Merkel ihren Weg aus Sparen und Investitionen in Reformen weiterführen. Das betreffe insbesondere Bildung und Gesundheit, Forschung und Entwicklung, aber auch den Energiesektor. Hier sprach sich die Kanzlerin erneut für die Beibehaltung der Kernenergie als „Brückentechnologie“ aus. Im Bereich Bildung wolle sich der Bund stärker engagieren und die zusätzlich notwendigen 13 Milliarden Euro zu 40 Prozent mittragen.

Ausdrücklich bekannte sich Merkel zu einer Leistungsgesellschaft. „Leistung muss sich lohnen“, diesem Motto sei die schwarz-gelbe Regierung verpflichtet. Zu einer sozialen Gesellschaft gehöre aber auch, die Schwächsten zu schützen. Daher werde die Absicherung über „Hartz IV“ überarbeitet.

Scharfe Attacken von Steinmeier

Mit scharfen Attacken auf die schwarz-gelbe Bundesregierung hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch die Generaldebatte des Bundestages eröffnet. „So schlecht wurde Deutschland seit Jahrzenten nicht regiert“, sagte Steinmeier unter dem Beifall der Opposition im Parlament. In nur 140 Tagen an der Macht hätten Union und FDP fast alles Vertrauen verspielt. Steinmeier hielt Schwarz-Gelb vor: „Sie sind die größte Nichtregierungsorganisation des Landes.“ Darüber könne sich nicht einmal die Opposition richtig freuen, weil dies die Demokratie gefährde.

„Frau Merkel, ich frage Sie nach ihrer Verantwortung“, sagte Steinmeier weiter. Er erinnerte daran, dass CDU/CSU und FDP diese Koalition gewollt hätten. Doch statt zuzupacken, verliere sich Schwarz-Gelb im „kleinkarierten Gezänk“. An die Bundeskanzlerin gewandt sagte der Oppositionschef: „Sie stehen vor den Trümmern einer zerrütten Ehe, das ist die ganze Wahrheit.“

Gier der Banken bezahle der Steuerzahler

Steinmeier kritisierte, die Regierung habe keine Lehren aus der Finanzkrise gezogen. Das internationale Börsencasino fange schon wieder an mit der „Zockerei“. Statt die Banker und Hedgefonds in die Schranken zu weisen und zur Bewältigung der Krisenlasten heranzuziehen, müsse der Steuerzahler die Gier der Banken mit 2500 Euro pro Kopf bezahlen. Auch in der Gesundheitspolitik gebe es keine Antworten, das gleiche gelte für den Arbeitsmarkt oder die Energiestrategie.

Zugleich warf Steinmeier der schwarz-gelben Koalition mangelnden Sparwillen vor. FDP-Chef Guido Westerwelle habe in der Opposition bei jeder Gelegenheit mit dem liberalen Sparbuch gewunken. „Jetzt sind Sie an der Regierung und nichts davon ist verwirklicht“, warf der SPD-Fraktionschef den Liberalen vor. Im Gegenteil: 985 neue Beamtenstellen seien geschaffen worden. Daraus könne man nur den Schluss ziehen: „Mehr Bürokratie wagen - das ist ihre Parole.“

FDP sieht Haushalt 2010 als „Dokument der Handlungsfähigkeit“

Die Liberalen weisen den Oppositionsvorwurf einer mutlosen Politik zurück. Der Haushalt 2010 sei „ein Dokument der Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit dieser Koalition“, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestages in Berlin. Zum einen werde in wichtigen Zukunftsfeldern weiter investiert, zum anderen seien gegenüber dem ersten Regierungsentwurf sechs Milliarden Euro eingespart worden.

Für Schwarz-Gelb stehe „der Mensch im Mittepunkt“, sagte Homburger weiter. Das sei der Unterschied zu der Vorgängerregierung unter Beteiligung der SPD, die einen Schutzschirm für Banken aufgespannt und eine Prämie für Altautos aufgelegt habe. Seit die FDP mit in der Regierungsverantwortung stehe, seien familienpolitische Leistungen verbessert und Fehlentwicklungen im Steuerrecht beseitigt worden.

Homburger verteidigte die von FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle angestoßene Sozialstaatsdebatte. Hier gehe es nicht um eine Absenkung der „Hartz IV“-Regelsätze, sondern um eine neue Balance des Sozialstaates, sagte sie. Ziel müsse es sein, dass sich zum einen Arbeit wieder lohne und zum anderen „Hartz IV“-Karrieren vermieden werden.

An SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gewandt fügte Homburger hinzu, er solle aufhören, die von der FDP geforderte Leistungsgerechtigkeit mit Rechtspopulismus zu verwechseln. Auch sollte Steinmeier dafür sorgen, dass die SPD nicht länger die Liberalen als verfassungsfeindlich diffamiere. Hier müsse es einen „Aufschrei der Demokraten“ geben.

Gysi attackiert Bundesregierung und SPD

Links-Fraktionschef Gregor Gysi hat die Haushaltsdebatte im Bundestag zu Attacken sowohl auf die Bundesregierung als auch auf SPD und Grüne genutzt. Gysi sagte am Mittwoch in seiner Rede, die schwarz-gelbe Koalition befinde sich in einem „erbärmlichen Zustand“. Aber auch das Erscheinungsbild von SPD und Grünen sei nicht gut.

Gysi fügte hinzu, die Sozialdemokraten seien derzeit immerhin dabei, die „Hartz IV“-Reformen zu überwinden. Man dürfe aber nicht vergessen, dass eine rot-grüne Regierung die damit verbundenen „unsozialen Prozesse“ eingeleitet habe. Nun trete die SPD „zu sich selbst in Opposition“. Dennoch animiere er die Sozialdemokraten dazu, diesen Weg weiterzugehen und zum Beispiel auch die Rente mit 67 abzulehnen.

Gysi kritisierte, die Grünen wechselten gerade „in das sogenannte bürgerliche Lager“. Dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle warf er eine „Beschimpfung“ von Arbeitslosen vor. Insgesamt gehe es der FDP darum, sich als „Lobbyisten-Partei“ salonfähig zu machen. (ddp)