Berlin. .

Guido Westerwelle tourt durch Südamerika. Mit Bildern wie jenen von der Hilfsgüter-Übergabe in Chile will der FDP-Chef auch sein angekratztes Image aufpolieren. Denn im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern erziehlt der liberale Außenminister katastrophal schlechte Umfragewerte in der Heimat.

Außenminister Guido Westerwelle tourt auf seiner bislang ausgedehntesten Auslandsreise durch Südamerika. In Chile, Argentinien, Uruguay und Brasilien will der FDP-Chef auch sein angekratztes Image aufpolieren.

Außenminister haben unchristliche Arbeitszeiten. Als Guido Westerwelle am Sonntag auf der windumtosten Kapverden-Insel Sal im Atlantischen Ozean zwischenlandete und seinen Amtskollegen Jose Brito traf, zeigte die Uhr 4.30 - am Morgen. Während die mitreisenden Journalisten und Wirtschaftsführer auf der bisher längsten Auslands-Expedition des FDP-Vizekanzlers in der Flughafen-Wartehalle noch mit den ungewohnten Temperaturen (24 Grad...) und zu wenig Schlaf kämpften, knüpfte Westerwelle zum Auftakt seiner einwöchigen Südamerika-Reise bereits neue Kontakte. Die Botschaft war damit klar gesteckt: Deutschland schläft, Frühaufsteher Westerwelle wacht und kümmert sich.

Hilfsgepäck für die Erdbebenopfer

Im chilenischen Constitucion schläft eine Frau auf der Straße vor ihrem zerstörten Haus.
Im chilenischen Constitucion schläft eine Frau auf der Straße vor ihrem zerstörten Haus. © AP

Zum Beispiel auch um die Erdbebenopfer von Chile. Bevor das eigentliche und bereits hinreichend üppig geratene Reiseprogramm beginnen konnte, das Westerwelle samt Lebenspartner Michael Mronz bis zum kommenden Samstag nach Argentinien, Uruguay und Brasilien führen wird, sorgten die Programm-Macher im Auswärtigen Amt für einen dreistündigen „Solidaritäts-Besuch“ in der Hauptstadt Santiago. Dort, nicht im Erdbebengebiet um die Küstenstadt Concepción, ließ sich Westerwelle von seinem Amtskollegen Mariano Fernández am späten Abend das aktuelle Lagebild geben.

Mit leeren Händen kam der Deutsche nicht. Vier Experten des Technischen Hilfswerks (THW) übergaben einen Stromgenerator, Decken, Zelte, Wasserbehälter und ein Dialysegerät. „Helfen ohne zur Last zu fallen“, gab Westerwelle das bescheiden klingende Motto vor. Gegenwert dieses deutschen Engagements für die Erdbebenopfer: 630 000 Euro.

Die dabei entstehenden Fernseh-Bilder und Fotos sollen aber wohl auch dabei helfen, einem Phänomen beizukommen. Laut jüngsten Umfragen finden nur noch 26 Prozent der Deutschen gut, wie der FDP-Chef die Bundesrepublik im Ausland repräsentiert. Ein Negativ-Rekord, gewissermaßen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Chef im Auswärtigen Amt. Vorgänger wie Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) kamen selbst zu innenpolitisch heikelsten Zeiten konstant auf Zustimmungswerte zwischen 70 und 80 Prozent.

Kontakte knüpfen in Brasilien

Noch am Abend flog Westerwelle weiter nach Buenos Aires, wo er am Montag unter anderem die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernandez de Kirchner trifft und ein Wissenschafts-Projekt einweiht. Nach einer Kurz-Visite auf der anderen Seite des Grenzflusses Rio de la Plata, beim früheren Tupamaro-Guerillakämpfer José Mujica, der dieser Tage in Montevideo als neuer Präsident Uruguays vereidigt wurde, nimmt der Regierungs-Airbus dann Kurs auf das Hauptziel der Reise: Brasilien.

In drei Städten - Brasilia, Sao Paolo und Rio de Janeiro - will Westerwelle die Beziehungen zu dem 192-Millionen-Einwohner-Land intensivieren und sich gesondert über die dort stattfindende Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 informieren. Beide Events stellten für die deutsche Wirtschaft große Chancen dar, heißt es.

Mit auf Westerwelles Besuchsliste: die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner.
Mit auf Westerwelles Besuchsliste: die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner. © AFP

Für Westerwelle gilt Brasilien samt seinem charismatischen Präsidenten Lula da Silva als „strategische Region“ auf dem „immer noch unterschätzten Kontinent“ Latein-Amerika. Westerwelle hatte in seiner Funktion als FDP-Chef zuletzt mehrfach großen Respekt dafür bekundet, wie vorwärtsgewandt etwa Brasilien, Uruguay und Chile Konsequenzen aus der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise gezogen hätten. Daraus zu lernen und der deutschen Wirtschaft, wo möglich, Türen zu öffnen, ist Westerwelle Ansporn und Verpflichtung.

Spekulationen um die Gästeliste

Auch darum wird neben der allgemeinen Diplomatie und politischen Interessenpflege bei Großthemen wie Iran/Atom oder Schuldenkrise die Außenhandelsförderung diesmal besonderen Raum einnehmen. Mit an Bord des Regierungs-Airbus sind etliche Chefs großer Industrie-Konzerne; darunter auch Vorstände der Essener Unternehmen ThyssenKrupp und Ferrostaal. Zu den „Sondergästen“ zählen Steffi Jones, die Chefin des Organisationskomitees für die Fußball-Frauen-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland, und der bildende Künstler Alex Flemming.

Dass - wie der „Spiegel“ andeutet - bei Westerwelle-Reisen vorzugsweise Wirtschaftsvertreter und solche Menschen mitgenommen werden, die der FDP zuvor Parteispenden zukommen ließen oder anderweitig bei den Liberalen hoch im Kurs stehen, wies das Auswärtige Amt zurück. Präventiv (und etas säuerlich) wurde zudem die Information gestreut, dass der Kunstliebhaber Westerwelle von Herrn Flemming bislang noch nichts gekauft habe...

Sieben Tage Polemik-Fasten?

Mit Spannung wird in den nächsten Tagen erwartet, ob Guido Westerwelle sich in der von ihm angestoßenen Sozialstaatsdebatte bis zur geplanten Rückkehr am 13. März still verhalten wird. Zu den diplomatischen Gepflogenheiten gehört es, dass sich ein deutscher Außenminister auf Auslandsreise nur in Ausnahmesituationen zu innenpolitischen Fragen äußert.

Bislang hielt sich Westerwelle daran. Zuletzt etwa, als die CSU ihn während eines Staatsbesuchs in Ankara wegen allzu freundlich unterstützenden Worten zu dem von der Türkei angestrebten EU-Beitritt frontal anging. In Berliner Koalitionskreisen kursieren allerdings Zweifel, ob der Chef der Liberalen beim Thema Hartz IV „sieben Tage Polemik-Fasten durchhält“.

„DerWesten“ wird regelmäßig vom Latein-Amerika-Besuch des Außenministers berichten. Der Berliner Korrespondent der WAZ-Mediengruppe, Dirk Hautkapp, ist unter den mitreisenden Journalisten.