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Beim ersten Talk-Show-Auftritt nach seinen Verbal-Attacken gegen den Sozialstaat blieb FDP-Chef Guido Westerwelle ungewohnt zahm und defensiv. Statt spätrömischer Dekadenz bot er dem Zuschauer weitgehend spätabendliches Gähnen. Kaiser Guido stand bei Maybrit Illner ohne Kleider da.

Anne Will von der ARD hatte Westerwelle, der sich doch so gern als Stimme der schweigenden Mehrheit im Lande inszeniert, am letzten Sonntag noch einen Korb gegeben. Wills ZDF-Konkurrentin Maybrit Illner dagegen hatte gestern Abend, da sich nach Westerwelles Breitseiten gegen das deutsche Sozialsystem der Staub ein wenig gelegt hat, mehr Glück. Doch wer auf neuerliche Ausfälle des Ober-Liberalen lauerte, wurde enttäuscht.

Statt provokanter Sottisen lieferte Westerwelle sattsam bekannte Parolen und Plattitüden Marke „Jemand, der hart arbeitet, muss mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet“ oder „Wir müssen mehr an die denken, die in Deutschland den Karren ziehen“. Zwar reklamierte Westerwelle für sich, er sei weiterhin „Mitglied im Verein für klare Aussprache“, doch wirkte er seltsam müde. Auf diese Weise wurde deutlich: Ohne markige Sprüche hat Westerwelle in der Hartz-Diskussion wenig zu bieten.

„Das ist jetzt ihr Sozialstaat.“

In der Runde von Maybrit Illner konnte Guido Westerwelle auf Nachsicht nicht zählen. (Foto: Imago)
In der Runde von Maybrit Illner konnte Guido Westerwelle auf Nachsicht nicht zählen. (Foto: Imago)

Denn ein Mit-Diskutant legte sogleich den Finger in die liberale Wunde. „Sie haben nur Banalitäten ausgesprochen und zur Lösung des strukturellen Problems der Arbeitslosigkeit keinen Vorschlag gemacht“, grantelte Rudolf Dreßler. Der knorrige Beton-Sozi, ein Sozialpolitiker der alten Schule, dem auch schon mal Sympathien für die Linkspartei nachgesagt werden, ist das komplette Gegenmodell zum marktliberalen Westerwelle. Dessen eigentliche Motivation für seine Brachialkritik am deutschen Sozialsystem, so Dreßler, sei die Hoffnung auf einen Stopp des freien Falls der FDP in den Umfragen gewesen.

In die gleiche Kerbe wie Alt-SPDler Dreßler schlug die „Zeit“-Journalistin Elisabeth Niejahr. „Sie machen immer noch Politik wie ein Oppositionspolitiker“, hielt sie dem Kabinettsmitglied Westerwelle vor. „Das ist jetzt Ihr Sozialstaat. Wo wollen Sie was verändern?“ Ein Weckruf für den müden Vize-Kanzler? Weit gefehlt.

Mahnende Worte für Politik-Idol

Wer auf einen eiskalten Konter wartete, wurde erneut enttäuscht. Stattdessen, man rieb sich als Zuschauer die Augen, bat Westerwelle beinahe flehentlich um Nachsicht und Geduld. Hatte er vor den Bundestagswahl noch den Eindruck erweckt, Schwarz-Gelb würde die Republik quasi im Handstreich umkrempeln, so buhlte er nun um Verständnis. Man müsse, so Westerwelle, einer Regierung, die erst wenige Monate im Amt sei, „eine gewisse Chance geben“. Schließlich könne man „nicht alles auf einmal“ angehen.

Doch auf Nachsicht konnte der FDP-Vorsitzende in der Illner-Runde nicht zählen. Selbst der Berliner Unternehmer Stephan Schwarz, in der Hartz-Debatte eigentlich voll auf Westerwelles Seite („Sie sprechen vielen Menschen aus dem Herzen“) , fand mahnende Worte für sein Politik-Idol. „Wir wissen nicht, wohin die Regierung will. Die Ungeduld ist groß. Ich will jetzt eine Entscheidung.“