Berlin. .

Der Fluglärm-Mediziner Eberhard Greiser hat einen direkten Zusammenhang zwischen Nachtfluglärm und Herz-Kreislauf- sowie psychischen Erkrankungen nachgewiesen. Grundlage für die Studie waren Untersuchungen im Umfeld des Flughafens Köln/Bonn. Auch das Brustkrebsrisiko steigt.

Es wirkt wie eine Reaktion, ist aber wohl ein Zufall: Noch am Montag forderte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) eine Lockerung des Nachtflugverbots. Einen Tag später warnt jedoch eine Studie des Bremer Mediziners Eberhard Greiser. Nachtfluglärm mache krank, sagte er am Rande einer lange geplanten Fachtagung in Berlin. Neben Herz-Kreislauf- und psychischen Erkrankungen erhöhe der Lärm auch das Risiko für Krebs.

Die Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes schließt gut eine Million Anwohner rund um den Flughafen Köln/Bonn ein. Bei einem Dauerschallpegel von 60 Dezibel - das entspricht dem Lärm einer Nähmaschine - nahmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern um bis zu 70 Prozent, bei Frauen um bis zu 80 Prozent zu. „Da Frauen seltener berufstätig sind, sind sie häufiger auch tagsüber dem Lärm ausgesetzt“, erklärt Eberhard Greiser diesen Unterschied. Rechnet man die 58000 Anwohner heraus, die vom Flughafen kostenlose Schallschutzfenster installiert bekommen, so gab es bei den Frauen gar einen Anstieg von über 100 Prozent, also mehr als doppelt so viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie gewöhnlich.

Depressionen und Brustkrebsrisiko

Die Ergebnisse sind auf andere Flughäfen zwar nicht 1:1 übertragbar. Anders als in Köln/Bonn gibt es etwa vielerorts Nachtflugbeschränkungen. „Ich behaupte aber“, so Greiser, „dass die Studie den Beweis liefert: Fluglärm führt zu Krankheiten.“

Und zwar nicht nur im Herz-Kreislauf-Bereich: Bei Männern sei vor allem das Risiko von Depressionen gestiegen - ohne Lärmschutzfinanzierung gar um über 100 Prozent. Bei Frauen sei ein erhöhtes Brustkrebsrisiko feststellbar.

Brustkrebs durch Stress

In diese Zahlen zur Krebsgefahr, die er offiziell erst in einer Woche vorstellen wird, gab Greiser am Dienstag schon einen Einblick: „Bei Personen zwischen 50 und 69 Jahren steigt das Brustkrebsrisiko um über 80 Prozent“, sagt Greiser und verweist auf andere Studien: „Es gibt vergleichbare Ergebnisse bei Frauen, die Nacht- oder Schichtarbeit verrichten.“ Entscheidend sei der Stress. Der beeinflusse das Immunsystem. Je weniger Schlaf, desto mehr Stress. Je mehr Stress, desto weniger natürliche Killerzellen, die Krebszellen abtöten sollen.

Pikant: Ergebnisse der Fachtagung, an der auch zahlreiche Flughäfen und -linien teilnahmen, wollte ursprünglich der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, auf einer Pressekonferenz mitteilen. Die allerdings wurde einen Tag zuvor abgesagt - wegen „terminlicher Gründe“ Flasbarths, der die Tagung am Mittag gen Dessau verließ. Stattdessen sprach Greiser.