Duisburg. .
Erst war die Rede von 1,4 Millionen Besuchern, dann sollen es insgesamt 300.000 gewesen sein. Dabei sei das Zählen von Besuchern doch „kein Buch mit sieben Siegeln“, sagt Sicherheitsexperte Konhäuser und erklärt, wie Schätzungen funktionieren.
Als noch alles friedlich verlief am vergangenen Samstagnachmittag bei der Loveparade, wurde stolz verkündet: „Heute werden in Duisburg 1,4 Millionen Menschen erwartet.“
Doch schon einen Tag später, als sich die Tragödie der Todesopfer auf der Loveparade wie ein schwarzer Schleier über die Stadt gelegt hatte, wollte diese Angabe niemand mehr bestätigen. Stetig wurden die Besucherzahlen nach unten korrigiert – bis es plötzlich nur noch rund 300.000 Raver gewesen sein sollen. Erstaunlich, dass nun niemand mehr verlässlich sagen kann, wie viele Besucher auf das Gelände am alten Güterbahnhof strömten, wo doch sonst Veranstalter und Polizei nach jeder Großveranstaltung sofort die Gesamtzahl parat haben.
Besucherschätzungen sind „kein Buch mit sieben Siegeln“
Nach neuesten Informationen der WAZ-Mediengruppe sollen sich gegen 14 Uhr zwischen 60.000 und 70.000 Menschen auf dem Gelände aufgehalten haben. Gegen 18 Uhr seien es 160.000 Besucher gewesen, bestätigte Dirk Oberhagemann, Katastrophenforscher im Auftrag der Bundesregierung.
„Wie man die Zahl der Besucher schätzt, ist doch kein Buch mit sieben Siegeln“, wundert sich Henryk Konhäuser, Geschäftsführer der Rendsburger Risikoberatungsgesellschaft ascopert über die schwankenden Besucherangaben. Das gängigste Verfahren, Gäste zu zählen, sei zu prüfen, wie viele Menschen sich auf einem Quadratmeter befinden, erklärt Konhäuser. Das Ergebnis wird dann mit der Gesamtfläche des Geländes multipliziert. Noch genauere Angaben zur Besucherzahl liefern Helikopter-Aufnahmen. „Damit kann bereits während der laufenden Veranstaltung im Detail geklärt werden, wo es sich dichter staut und wo noch Platz ist“, sagt Konhäuser.
Entspannt sei es für die Besucher, wenn auf einem Quadratmeter nicht mehr als zwei Menschen Platz fänden. „Das ist eine lockere Beflockung bei Musikveranstaltungen. Jeder Veranstaltungsgast kann noch tanzen.“ Richtig eng werde es da bei vier Leuten. „Hier müssten alle gleichzeitig die Arme hochreißen, um genügend Platz zu haben“, sagt Konhäuser.
Raver Count zählt Loveparade-Besucher
Eine weitere Möglichkeit, Besucherzahlen zu ermitteln, sei, die Getränkeumsätze hochzurechnen. Dies eigne sich aber nur, wenn keine eigenen Flüssigkeiten mitgebracht würden. „Bei der Loveparade in Berlin etwa, wo viele Raver Bierkästen im Tiergarten abgestellt hatten, helfen solche Schätzungen natürlich nicht.“
Einer, der sich nicht wie Henryk Konhäuser bloß über die widersprüchlichen Besucherzahlen wundert, sondern regelrecht wütend darüber ist, ist Sven Jansen. Bereits am vergangenen Sonntag wurde der Erkrather selbst aktiv und hat die Internetseite www.loveparaderavercount.de freigeschaltet. Dort können sich Besucher der Loveparade per Mausklick zählen lassen. Knapp 113.000 Menschen haben dies bereits getan. Jeder User kann auch nur einmal klicken. Jedenfalls, solange er sich von demselben Computer mit derselben IP-Adresse anmeldet. Freilich ist die Aussagekraft des Raver Counts zweifelhaft und vor Gericht nicht verwendbar. Niemand kann nachprüfen, ob alle, die geklickt haben, auch auf der Loveparade gewesen sind.