Brüssel. Lothar Bisky hat schon jede Menge Ämter und Funktionen inne gehabt. Nun soll er im EU-Parlament für Teamgeist in seiner Fraktion sorgen. Bisky selbst gibt stets den überzeugten Europäer, bei vielen Genossen in seiner Fraktion sieht das allerdings ganz anders aus.

Lothar Bisky hat schon jede Menge Ämter und Funktionen inne gehabt. Nun Dass sich ein Wahlkandidat für das EU-Parlament als überzeugter Europäer präsentiert, ist eigentlich nicht der Rede wert. Es sei denn, er ist Spitzenkandidat einer Partei, in der es mindestens so viel Kritik an der Europäischen Union gibt wie Unterstützung für sie.

Lothar Bisky bezeichnet sich selbst als „pro-europäisch“, erinnert an die „Verdienste“ der Staatengemeinschaft und fordert „mehr und nicht weniger Europa“. Sogar den Lissabon-Vertrag, gegen den immerhin die eigene Bundestagsfraktion in Karlsruhe klagt, lehnt er nicht in Bausch und Bogen ab, sondern äußert differenziertere Einwände.

Das dürfte ihm in den nächsten Jahren noch manche Debatte in der eigenen Europafraktion einbringen, deren Vorsitz ihm wahrscheinlich angetragen wird. Gewarnt sein dürfte er spätestens, seit die langjährige EU-Spitzenkandidatin Sylvia-Yvonne Kaufmann – wegen wohlwollender Äußerungen über die Reform der EU durch den Lissabon-Vertrag – von ihren eigenen Leuten ausgebremst wurde. Kaufmann zog die Konsequenz und wechselte zur SPD.

Querschüsse aus den eigenen Reihen

Auch muss sich Bisky wohl auf manchen Querschuss aus den eigenen Reihen einstellen. Denn in der „Vereinigten Europäischen Linke/Nordische Grüne Linke“, wie sich das Sammelsurium der Sozialisten, Kommunisten, Werktätigen, Fortschrittlichen und Öko-Linken nennt, gibt es viele, die der Brüsseler Veranstaltung wesentlich skeptischer gegenüberstehen.

Ach was, winkt der 67-jährige Ostdeutsche ab: Er persönlich sehe trotzdem keine großen Probleme für den Zusammenhalt der Fraktion, sagt Bisky im Gespräch mit dieser Zeitung. Alle müssten sich einfach nur am Programm orientieren, er werde sich auch „ganz genau daran halten“. Er jedenfalls sehe „gute Voraussetzungen, ein Team zu bilden“.

Dem in Pommern geborenen und in Schleswig-Holstein aufgewachsenen ehemaligen Rektor der Babelsberger Filmhochschule dürfte dabei seine Erfahrung helfen. Kaum ein Politiker – und das gilt nicht nur für die Linken – hat ähnlich viele Funktionen und Ämter in Partei und Parlament ausgeübt wie Bisky. Landes- und Bundesvorsitzender der PDS, dann gemeinsam mit Oskar Lafontaine Parteichef der Linken, seit 2007 auch Vorsitzender der Europäischen Linken, Mitglied des Landtags und Bundestags. Vor allem zählt er – erst recht nach dem Abschied von Sahra Wagenknecht aus Straßburg - zu der Handvoll Europapolitiker, deren Namen überhaupt Wählern bekannt sind. Allein deshalb dürfte seine Fraktion ein besonderes Interesse haben, die öffentlichkeitswirksame Leitfigur nicht durch interne Querelen zu beschädigen.