Berlin. Norbert Lammert (CDU) ist verärgert über das Fernsehprogramm von ARD und ZDF. Statt die konstituierende Sitzung des Bundestages zu übertragen, zeigten die Sender "Schaumküsse" und "Alisa". Lammert wurde als Bundestagspräsident mit 84,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Der frisch wiedergewählte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat ARD und ZDF für ihre Programmentscheidungen am Dienstag scharf kritisiert. Lammert bemängelte in seiner Antrittsrede, dass im Hauptprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender Serien und Komödien statt der konstituierenden Sitzung des Parlaments ausgestrahlt würden. «Mir fehlt jedes Verständnis, dass ein gebührenpflichtiges Fernsehen, das dieses üppig dotierte Privileg allein seinem besonderen Informationsauftrag verdankt, auch an einem Tag wie heute mit einer souveränen Sturheit der Unterhaltung Vorrang vor der Information einräumt», sagte Lammert.
Unter dem Beifall der Abgeordneten führte der Bundestagspräsident aus, dass in der ARD am Dienstagmorgen die Komödie «Schaumküsse» gezeigt werde, während das ZDF Folgen der Serie «Alisa - Folge Deinem Herzen» und «Bianca - Wege zum Glück» zeige. Diese Programmentscheidungen seien «im wörtlichen Sinne bemerkenswert», sagte Lammert. Natürlich seien die Chefredaktionen frei in ihrer Entscheidung, fügte Lammert hinzu, kündigte zugleich aber an, bei «jeder ähnlichen Gelegenheit» künftig erneut auf das Thema hinzuweisen.
Verlängerung der Wahlperiode
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat in der ersten Sitzung des neuen Parlaments eine Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre angeregt. Nach Einschätzung der meisten Wähler gebe es von der Kommunal- bis zur Europawahl zu viele Urnengänge in Deutschland, sagte der CDU-Politiker am Dienstag nach seiner Wiederwahl. Scharfe Kritik übte er am geringen Medieninteresse an der Parlamentsarbeit. Den öffentlich-rechtlichen Sendern warf er vor, statt der konstituierenden Sitzung Seifenopern ins Programm genommen zu haben.
Die 17. Legislaturperiode wurde mit einer Rede des ehemaligen Forschungsministers Heinz Riesenhuber eröffnet. Als Alterspräsident forderte der 73-jährige CDU-Politiker die Abgeordneten zu offenen Debatten auf. Zur Arbeit im Parlament gehöre die Achtung vor jedem Kollegen und seiner Meinung.
Lammert wurde anschließend mit 84,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Damit verschlechterte er sein Ergebnis vor vier Jahren deutlich: Damals hatte er mit 93,1 Prozent der Stimmen die zweithöchste Zustimmung bei einer Bundestagspräsidentenwahl seit 1949 erhalten.
Lammert mahnt stärkeres Selbstbewusstsein des Parlaments an
Lammert nahm die Wahl an. In seiner Rede mahnte er ein stärkeres Selbstbewusstsein des Parlaments an. «Der Bundestag ist nicht Hilfsorgan, sondern Herz der politischen Willensbildung in unserem Land», sagte er. «Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung.»
Der CDU-Politiker hob die wichtige Rolle der Opposition in der Demokratie hervor. Die demokratische Reife eines politischen Systems sei nicht an der Existenz der Regierung zu erkennen, sondern am Vorhandensein einer Opposition und ihrer politischen Wirkungsmöglichkeiten.
Fünf Stellvertreter Lammerts
Am Nachmittag stand im Bundestag die Wahl von Lammerts fünf Stellvertretern an. Jeder Fraktion steht einer dieser Posten zu. Zur Wahl standen Wolfgang Thierse (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Petra Pau (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). (ap/afp)