Berlin. Die neue Regierung hat sich beim Streitthema Gesundheitspolitik in den Koalitionsverhandlungen geeinigt, wie CSU-Parteichef Horst Seehofer mitteilt. Und damit kommen wohl höhere Kosten auf die Versicherten zu, heißt es aus Verhandlungskreisen. Der Arbeitgeberanteil bleibe stabil.

Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sich auf steigende Kosten einstellen. Ein Teil des Geldes zur Deckung des erwarteten Defizits von 7,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr soll aus der Erhöhung des Beitrags kommen, den Versicherte alleine zahlen. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AP am Freitag aus Verhandlungskreisen. Der Rest soll eingespart beziehungsweise über ein Bundesdarlehen aus Steuergeldern überbrückt werden. Der Arbeitgeberbeitrag von heute sieben Prozent des Bruttolohns soll fest bleiben.

Eine solche Lösung hatte sich bereits angedeutet. Am Donnerstag hatten die künftigen Koalitionspartner den Plan verworfen, das durch die Krise bedingte Defizit der Krankenversicherung über einen Schattenhaushalt zu decken. In der Nacht gab es nach Angaben von CSU-Chef Horst Seehofer dann eine Einigung der künftigen Koalitionspartner zur Gesundheitspolitik. Er nannte aber keine Einzelheiten. Für 11.00 Uhr ist eine Pressekonferenz der Unterhändler Ursula von der Leyen (CDU) und Philipp Rösler (FDP) angekündigt.

Mehr Beitragsautonomie

Der CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt sagte am frühen Morgen im rbb-Inforadio, die Begrenzung der zusätzlichen Kassenbeiträge auf ein Prozent des Bruttoeinkommens werde vermutlich gekippt. Auch das bedeutet: Die Kassen haben mehr Freiheit, den von den Arbeitnehmern und Rentnern zu zahlenden Beitrag je nach Finanzbedarf selbst zu erhöhen. Bernhardt sagte, Erhöhungen seien möglich. Einige Kassen würden ohne Zusatzbeiträge auskommen, anderen werde auch mehr als ein Prozent nicht ausreichen.

Die scheidende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt griff die künftigen Koalitionspartner scharf an. «Schwarz-Gelb entpuppt sich als Koalition für die Besserverdiener. Jetzt beginnt die Eiszeit in der Sozialpolitik», sagte Schmidt der Oldenburger «Nordwest-Zeitung». Die Pläne gingen zugunsten der privaten Krankenversicherung und zulasten der gesetzlich Versicherten.

Dadurch, dass die Arbeitgeberbeiträge festgeschrieben werden sollten, würden die steigenden Kosten in der Zukunft durch medizinischen Fortschritt und längeres Leben einseitig auf die Versicherten abgewälzt. Künftig könne «nur wer Geld hat» sich über Zusatzversicherungen mehr leisten.

Schon am Donnerstag war bekannt geworden, dass unter anderem die ungeliebte Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal auf den Prüfstand gestellt und möglicherweise ersetzt wird. Im übrigen sollen Patienten mehr «individuelle Wahlmöglichkeiten» bekommen, zum Beispiel über Mehrkostenregelungen. Das bedeutet: Die Kasse zahlt - wie beim Zahnersatz - einen Zuschuss in Höhe einer Mindestversorgung, und der Patient kann auf Wunsch für etwas Besseres draufzahlen. (ap)