Essen. Mit viel Geld und Unterstützung von Günther Jauch wirbt der Discounter Lidl für seine Einweg-Plastikflasche. Wie ökologisch ist sie wirklich?
- Mehrwegflaschen aus Glas oder Plastik werden neu befüllt, Einwegflaschen werden geschreddert und teilweise zu neuen Flaschen verarbeitet. Über die Ökobilanzen der unterschiedlichen Systeme aber wird seit Jahren gestritten.
- Eigentlich hatte das Verpackungsgesetz 2019 eine Mehrwegquote von 70 Prozent vorgegeben. Die Quote aber dümpelt aber seit Jahren bei rund 40 Prozent.
- Der Discounter Lidl nennt seine neue Einweg-Plastikflasche und das hauseigene Recycling-System „besonders ökologisch“. Umweltverbände kritisieren die Kampagne als „Greenwashing“.
Wer im Supermarkt oder bei einem Discounter ein Getränk kauft, hat die Wahl: Es gibt Einweg- und Mehrwegflaschen, aus Glas oder Plastik. Was ökologisch vorteilhafter ist, kann der Verbraucher kaum erkennen. Als „umweltfreundlich“ wird jede Flasche und jedes Material beworben, für beide Flaschen, Mehrweg oder Einweg, gibt es bei der Rückgabe Pfand. Tatsächlich aber können sich ihre Ökobilanzen enorm unterscheiden.
Kann aber eine Einweg-Plastikflasche wirklich ökologischer sein als eine Mehrwegflasche? Mit einer aufwändigen Werbekampagne und der Behauptung, seine neue 1,5-Liter-Einwegflasche aus Plastik sei eine der ökologischsten Flaschen, bricht der Discounter Lidl nun einen Streit mit Umweltverbänden vom Zaun. Die Deutsche Umwelthilfe nennt die Kampagne „Greenwashing“ und bezeichnet die behauptete Umweltfreundlichkeit als „irreführend“. Lidl kontert die Kritik und verweist auf „neue Studien“.
Günther Jauch prominentes Gesicht in der Lidl-Kampagne
Prominentes Gesicht in der Werbekampagne für Lidls neue 1,5-Liter-Einwegflasche aus Plastik ist Günther Jauch. Er zeigt sich in TV-Spots als nachfragende und genau hinschauende Figur, der die Vorzüge der neuen „Kreislaufflasche“ präsentiert werden. Lidls Botschaft: Die neue Einweg-Plastikflasche ist umweltfreundlicher als Mehrwegflaschen aus Glas oder Plastik.
Als Beleg verweist Lidl auf die Ökobilanzstudie, die der Dicounter beim renommierten Heidelberger Institut für Energie und Umwelt (IFEU) in Auftrag gegeben hat. Nachzulesen ist das alles auf der Website diekreislaufflasche.de Dort führt Lidl alle Argumente samt Studie und Einweg-Faktencheck auf.
Umwelthilfe: Es gibt kein 100prozentiges Recycling
Kernargument von Lidl ist, dass seine Plastikflasche zu 100 Prozent aus recyceltem PET besteht und der Flaschenkörper „immer wieder aus zurückgebenen Flaschen“ hergestellt wird. Die Deutsche Umwelthilfe hält vor allem die Darstellung dieses vollständigen Kreislaufs bei Lidl für irreführend. Demnach gebe es bei jedem Recyclingvorgang einen Materialschwund zwischen zwei bis fünf Prozent. „Um das beim Recycling verloren gegangene Material wieder aufzufüllen, bedient sich Lidl bei anderen Marktakteuren und bezieht von ihnen alte Einweg-Plastikflaschen“, kritisiert Thomas Fischer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der DUH. „Der angebliche 100-Prozent-Recyclingkreislauf von Lidl wird so zur Farce.“
Lidl gilt bei der Recycling-Quote als Branchenprimus. Die DUH gibt jedoch an, dass branchenweit bei der Herstellung von Einweg-Plastikflaschen nur durchschnittlich 40 Prozent Recycling-Material eingesetzt werde. Der überwiegende Teil der geschredderten Einwegflaschen wird laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zu minderwertigeren Textilfasern, Folien oder Putzmittelflaschen verarbeitet. Für die Herstellung neuer Einweg-Flaschen würden Materialien wird Erdöl oder Erdgas gebraucht. Dies seien Rohstoffe, die die Umwelt belasten und aufgrund der Energiekrise knapp und teuer sind.
Transportwege bestimmen die Ökobilanzen mit
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Wie groß genau der Anteil von Altplastik in einer neuen Einweg-Flasche ist, darüber streiten sich Hersteller und Umweltverbände. Einen in sich geschlossenen Materialkreislauf gibt es bei Einwegplastikflaschen nicht, stellt die Deutsche Umwelthilfe in diesem Faktenchek zu Ökobilanzergebnissen fest. Die Ökobilanz von Einweg PET-Flaschen habe sich in den letzten Jahren durch die Erhöhung des Recyclings verbessert, argumentiert die Verpackungsindustrie.
Doch nicht das Material allein bestimme die Ökobilanz einer Flasche, stellt das Umweltbundesamt (UBA) fest. Wichtig seien etwa auch die Transportwege. Kürzere Wege und leichteres Gewicht bedeuten einen geringeren Ausstoß von klimaschädlichem CO, der für die Umweltbilanz mitentscheidend ist. Auch hier sieht sich Lidl im Vorteil und gibt an, ökologischer als Mehrweg zu sein. Das lässt sich der Discounter in der IFEU-Studie auch bescheinigen.
Lidl: 400.000 gepresste Plastikflaschen auf einem LKW
Lidl argumentiert, dass die Flasche extrem leicht sei und nach Rückgabe sehr klein gepresst werden könne. Bei Leerguttransporten würden 400.000 Flaschen auf einen einzigen LKW passen. „Für die gleiche Menge benötigen Mehrwegsysteme mindestens 26 LKW“, heißt es beim Discounter. Lidl gibt zudem an, dass befüllte Flaschen von den fünf Abfüllwerken in Deutschland durchschnittlich 180 Kilometer weit zum Verkaufsort transportiert würden. Die Deutschen Umwelthilfe hat errechnet, dass im Handel Einwegflaschen im Schnitt 450 Kilometer weit transportiert würden. Das sei etwa doppelt so weit als bei Mehrwegflaschen.
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Laut UBA ist die Umweltbilanz einer Flasche zudem umso besser, je öfter sie befüllt werden kann. Hier punktet Mehrweg. Flaschen aus Glas können laut Herstellerangaben bis zu 50-mal neu befüllt werden, die stabilen Kunststoffflaschen aus PET (Polyethylenterephthala) nur bis zu 25-mal. PET-Flaschen der Gesellschaft deutscher Mineralbrunnen (GDB) werden zudem von mehreren Abfüllern genutzt. Diese „Poolflaschen“ verringern die Zahl der Transporte und sparen somit Emissionen ein.
IFEU-Studie: Lidls 1,5-Liter-Flasche ist ökologischer
Wie ökologisch ist die Lidl-Flasche also? Die IFEU-Studie bescheinigt dem Auftraggeber tatsächlich, dass die neue 1,5-Liter-Plastikflasche des Discounters gegenüber den kleineren 1-Liter-PET- und 0,7-Glas-Mehrwegflaschen der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) ökologische Vorteile habe. Dies gelte jedoch nicht pauschal für PET-Einwegflaschen in Deutschland, schränken die Autoren ein. Ebensowenig könne der Ansatz, Einwegflaschen zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial herzustellen, auf die gesamte Getränkebranche übertragen werden. Und, was in der Lidl-Werbekampagne nicht erwähnt wird: Die 0,5-Liter-Einwegplastikflaschen von Lidl waren laut Studie den 1-Liter-Mehrwegflaschen der GDB in Sachen Ökobilanz unterlegen.
Warum aber investieren Lidl und andere Discounter viel Geld in die Werbung für Einweg-Plastikflaschen? Eigentlich hatte die Bundesregierung schon 2019 im Verpackungsgesetz eine Mehrwegquote von 70 Prozent als Ziel vorgegeben. Diese Quote wird jedoch weit verfehlt, bei Mineralwasser etwa stagniert sie bei rund 40 Prozent. Für Discounter, die in Deutschland einen Marktanteil von knapp 37 Prozent haben, ist Mehrweg jedoch mit Kosten verbunden: Das Discounter-Konzept sieht in den Filialen kaum Platz für Lagerhaltung oder Vorsortierung vor.
Ein weiterer Grund, warum die Mehrwegquote stagniert: Viele Verbraucher haben Schwierigkeiten, Mehrweg von Einweg zu unterscheiden. Auch ist nicht erkennbar, wie nachhaltig Produktion, Entsorgung und Lebensdauer der Flaschen tatsächlich sind. Die unterschiedliche Bepfandung der Verpackungen sorgen zusätzlich für für Verwirrung. Das sind die wichtigsten Begriffe und Pfandsiegel.
Woran Verbraucher Mehrweg erkennen können
Eine eindeutige, gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung von Mehrweg-Getränkeverpackung gibt es nicht, kritisiert die Verbraucherzentrale NRW. Zu erkennen sind sie an dem Umweltzeichen Blauer Engel oder dem Mehrweg-Logo. Auf den Glas- oder Plastikflaschen können folgende Aufschriften stehen: Leihflasche, Pfandflasche, Mehrweg, Mehrweg-Flasche. Leere Flaschen werden zum Abfüller gebracht und gespült. Dann können sie wieder mit einem Getränk befüllt werden.
Für jede abgegebene Mehrwert-Flasche – egal, ob aus Glas oder PET und egal, welches Getränk enthalten ist – gibt es Pfand. Er beträgt in den meisten Fällen 15 Cent, bei Bier-Mehrweg-Flaschen sind es acht Cent.
Wie Verbraucher Einweg erkennen können
Einweg-Flaschen und -Dosen, für die Pfand erhoben wird, müssen von den Herstellern deutlich sichtbar als pfandpflichtig gekennzeichnet werden. Erkennbar sind sie an den Aufschriften Pfandflasche, Einwegpfand 0,25 Euro, PET-CYCLE oder dem Zeichen der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG), so die Verbraucherzentrale NRW. In den meisten Fällen kennzeichnen die Abfüller Einweg-Verpackungen mit dem DPG-Zeichen und einem EAN-Code (Strichcode). Die Pfandgebühr liegt bei allen Einwegflaschen oder -dosen bei 25 Cent.
Auch der Handel muss etwa am Verkaufsregal deutlich sichtbar darauf hinweisen, ob es sich um eine Einweg- oder eine Mehrweg-Getränkeverpackung handelt.
So werden Flaschen des Petcycle-Systems gekennzeichnet
Wie auch andere Einwegflaschen aus Plastik werden die in den Mehrweg-Kästen enthaltenen PET-Flaschen nach einmaliger Nutzung zerkleinert. Auf den Flaschen ist immer auch das Pfand-Logo für Einweg abgebildet. Es muss ein Pfand in Höhe von 25 Cent erhoben werden. Die Mehrwegkisten sind meist mit einem Pfand von 1,50 Euro versehen.
Das steht auf Einwegflaschen ohne Pfand
Unbepfandete Einwegflaschen und Dosen tragen weder das DPG-Logo noch eine Mehrwegkennzeichnung. Sie sind nur für bestimmte Produkte zugelassen und werden nach Gebrauch entsorgt. Diese Flaschen sind mit dem grünen Punkt oder dem Wegwerfsymbol gekennzeichnet. Von der Pfandpflicht ausgenommen sind Milch- und Milchmischgetränke (zum Beispiel Buttermilch oder Ayran), für die eine Übergangsfrist gilt. Für sie muss erst ab dem 1. Januar 2024 Pfand gezahlt werden.
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