Essen. Käufer von Solaranlagen müssen in NRW im Schnitt sechs bis acht Monate warten, ehe der erste Strom vom Dach fließt. Verbraucherschützer warnen.

Fehlende Bauteile, Fachkräftemangel und Bürokratie bremsen den Ausbau der Solarenergie im Land. Käufer von Photovoltaik-Anlagen für Ein- oder Zweifamilienhäuser müssen aktuell in NRW im Schnitt sechs bis acht Monate warten, ehe der erste Sonnenstrom vom Dach fließen kann, heißt es aus Solarwirtschaft und Verbraucherzentralen. Bei wichtigen Komponenten gibt es noch immer lange Lieferzeiten. Tausende Monteure und Elektriker fehlten, um die Anlagen auf den Dächern zu installieren.

Handwerksverband: 85.000 offene Stellen in der Elektrotechnik

„Aktuell zählen wir bundesweit 85.000 offene Stellen in der Elektrotechnik. 66 Prozent der Betriebe suchen händeringend Mitarbeiter“, sagte Lothar Hellmann, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke und Landesinnungsmeister NRW, dieser Redaktion. Hellmann sieht die Klimaziele der Bundesregierung gefährdet: „Um die Vorgaben zu erreichen, soll das Ausbautempo in den nächsten Jahren verdreifacht werden. Das schaffen wir so nicht.“ Hellmann kritisierte auch langwierige Bürokratie bei der Anmeldung der PV-Anlagen: „Es gibt in Deutschland 900 Stadtwerke und gefühlt 900 unterschiedliche Antragsformulare.“

In NRW hat sich im Zuge steigender Strompreise die Nachfrage nach Solaranlagen für Wohngebäude vervielfacht. Immer mehr Haushalte wollen sich so unabhängiger von Energiekosten machen. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur wurden im vergangenen Jahr so viele Solarzellen auf Dächern installiert wie seit den Rekordjahren 2010 und 2011 nicht mehr.

Photovoltaik-Zubau in NRW wie in den Rekordjahren

Jörg Sutter, Energieberater der Verbraucherzentrale NRW
Jörg Sutter, Energieberater der Verbraucherzentrale NRW © VZ NRW

Demnach wurden Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 913 Megawatt neu errichtet, im Vergleich zu 2021 ein Zuwachs von 40 Prozent, teilt der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) mit. Allein im ersten Quartal 2023 kamen nach neuesten Zahlen fast 400 Megawatt hinzu. Nur in Bayern (598 Megawatt) wurde seit Jahresbeginn mehr Leistung zugebaut. Aktuell sind in NRW rund 485.000 Solaranlagen registriert, darunter auch Mini-Solaranlagen für Balkone und Außenfassaden.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) kündigte an, die landesweite Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden auszuweiten.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) kündigte an, die landesweite Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden auszuweiten. © dpa

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur kündigte an, die landesweite Förderung von PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden zu erweitern. „Die Akzeptanz für Photovoltaik ist außerordentlich hoch, und die Menschen und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wollen Solarenergie als saubere und nachhaltige Energieform nutzen“, sagte sie dieser Redaktion. Grüne und CDU in NRW hatten sich auf einen ehrgeizigen Ausbau der Photovoltaik und auf schrittweise Einführung einer Solarpflicht verständigt. Bislang aber gibt es noch keine entsprechende Verordnung des CDU-geführten Bauministeriums.

Das Vorhaben vieler Haushalte, mithilfe von Solaranlagen auf dem Dach die Stromkosten zu senken, dürfte sich verzögern. Jörg Sutter, Energieberater der Verbraucherzentrale NRW, schätzt, dass die Handwerksbetriebe aktuell bis zu einem Dreivierteljahr im Voraus mit Aufträgen eingedeckt sind. „Wegen der Auslastung der Betriebe ist es für Verbraucher aktuell schwer, Vergleichsangebote einzuholen und Handwerker zu finden“, warnt er. Auch für die wichtige Grundberatung von Interessenten sei in den Betrieben kaum Zeit.

Solarwirtschaft hofft auf Besserung in den nächsten Monaten

Der Bundesverband Solarwirtschaft hofft, dass sich die Engpässe bei einigen Bauteilen in den nächsten Monaten auflösen. Der Mangel an Fachkräften sei jedoch nicht kurzfristig zu beheben. „Ich nehme jeden, wenn er denn keine zwei linken Hände hat“, sagte Sebastian Pönsgen, Vorstand des Solartechnik-Anbieters Priogo aus Zülpich.

» In einer Serie von Artikeln beantwortet diese Redaktion die wichtigsten Verbraucherfragen rund um Photovoltaik-Anlagen. In Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale NRW erhalten Hausbesitzer, aber auch Mieter einen Schritt-für-Schritt-Ratgeber – von der Planung über die Förderung bis hin zu den Pflichten von Betreibern.

Hier finden Sie die Artikel unserer Photovoltaik-Serie (wird ergänzt):

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