Essen. Friseure dürfen ab 1. März wieder öffnen – früher als andere Branchen. Ist die Ausnahme richtig? Zwei Redakteure, zwei gegensätzliche Meinungen.

Bund und Länder haben sich beim jüngsten Corona-Gipfel auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März geeinigt – mit einer Ausnahme für Friseure: Diese dürfen unter strengen Hygienevoraussetzungen bereits ab 1. März wieder öffnen. Zur Begründung heißt es: "Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene und der jetzt bereits seit längerem bestehenden Schließung erscheint es erforderlich, die Inanspruchnahme zu ermöglichen, da erhebliche Teile der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen, auf diese angewiesen sind."

An der Entscheidung gibt es Kritik. Angemessener erster Schritt auf dem Weg zu Lockerungen oder falsches Signal? Unsere Redakteure Frank Preuß und Lutz Heuken haben dazu unterschiedliche Positionen. Ein Pro & Contra:

Pro von Frank Preuß: Die Öffnung der Friseure ist kein modischer Schnickschnack

Ja, es gibt wichtigere Dinge im Leben als eine anständige Frisur. Das weiß auch jeder Politiker, der jetzt dafür gestimmt hat, die Friseurläden ab 1. März zu öffnen. Die Entscheidung ist aber richtig. Der Lockdown zermürbt die Menschen, die Sehnsucht nach ein bisschen Normalität wächst täglich – und jeder noch so winzige Schritt taugt als Hoffnungszeichen. Ein Bonbon in diesen Zeiten ist nötig, und das hier gewählte Risiko ist gewiss überschaubarer als – beispielsweise – die Öffnung aller Kaufhäuser.

Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen, aber das Wohlfühlen beginnt bei vielen nun mal mit dem äußeren Erscheinungsbild. Das hat mit modischem Schnickschnack zunächst mal nichts zu tun, sondern mit Körperhygiene. Es sind auch gerade ältere Menschen, die auf den Friseur angewiesen sind.

Frank Preuß hält die Entscheidung, Friseure zuerst zu öffnen, für richtig.
Frank Preuß hält die Entscheidung, Friseure zuerst zu öffnen, für richtig. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Die Läden haben zudem mit guten Schutzkonzepten vorgeführt, dass sie die strengen Spielregeln umsetzen können. Ein Besuch beim Friseur ist allemal sicherer als der Schwarzarbeit-Schnitt daheim oder im Keller. Und den gibt es zuhauf.

Schließlich: Der Vorwurf der Bevorzugung gegenüber anderen Branchen ist billig. Was hätte der Buchhändler davon, wenn der Friseurladen weiter dicht bliebe? Ein besseres Gefühl? Gerechtigkeit kann nicht darin bestehen, dass es allen gleich schlecht gehen muss. Und der Friseur ist ein erster Schritt, mehr nicht.

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Contra von Lutz Heuken: Die Friseur-Ausnahme sendet ein falsches Signal

Lockedown statt Lockdown? Ist das ernst gemeint?

Doch Spaß beiseite. Man darf mit Verlaub an der Ernsthaftigkeit einer Corona-Politik zweifeln, die es Friseuren erlaubt, ihre Salons zu öffnen, aber einen Großteil der Schüler weiter nicht in die Schulen lässt.

Ist das Virus tatsächlich so ungefährlich geworden, dass man zum Preis eines ausrasierten Nackens oder einer frischen Dauerwelle neue Hotspots riskiert? Denn machen wir uns nichts vor: Der Friseurbesuch ist – gerade auch bei vielen jungen Männern – längst zum Event geworden. Da geht es in den allermeisten Fällen nicht um eine „Notwendigkeit“, sich vom überlangen Haupthaar zu trennen, sondern um modische Eitelkeiten.

Lutz Heuken findet, dass die Politik sich mit der früheren Öffnung der Friseure einen Bärendienst erwiesen hat.
Lutz Heuken findet, dass die Politik sich mit der früheren Öffnung der Friseure einen Bärendienst erwiesen hat. © André Hirtz / FUNKE Foto Services | André Hirtz

Und was sagt es über ein Land aus, das einen Friseurbesuch für wichtiger ansieht als einen Besuch im Museum oder im Theater? Auch den kann man relativ Corona-sicher gestalten. Aber die Sehnsucht nach Shakespeare hat in unserer Gesellschaft offenbar nicht so viel Lobby wie der Wunsch nach einem korrekten Seitenscheitel.

Mit der Entscheidung, die Friseure zu bevorzugen, hat sich die Politik einen Bärendienst erwiesen. Wie soll man da Ihre ständigen – und offenbar berechtigten – Warnungen vor der Gefährlichkeit der Virus-Mutanten noch ernst nehmen? Das Signal, dass Berlin mit der Ausnahme aussendet: So schlimm ist es mit Covid dann doch nicht. Und das ist ein fatal falsches.

Endlich wieder frische Strähnchen und gestutzte Spitzen: Friseure sollen unter strengen Hygieneauflagen ab dem 1. März wieder öffnen dürfen. Andere Branchen müssen weiter abwarten.
Endlich wieder frische Strähnchen und gestutzte Spitzen: Friseure sollen unter strengen Hygieneauflagen ab dem 1. März wieder öffnen dürfen. Andere Branchen müssen weiter abwarten. © Roland Schlager/dpa