Im Missbrauchsskandal „Lügde“ zieht die Opposition vorschnell ihr schärfstes Schwert: die Rücktrittsforderungen gegen Reul. Ein Kommentar:
Jetzt steht das R-Wort doch schon im Raum. Die SPD-Opposition im Landtag hat NRW-Innenminister Reul am Wochenende zum Rücktritt aufgefordert, obwohl die politische Dramaturgie im Missbrauchsskandal „Lügde“ eigentlich anders aussah. Normalerweise muss ein Ermittlungskomplex dieses Ausmaßes erst einmal annähernd begreifbar sein und die Fehlerkette bis hoch zu den Verantwortungsträgern in monatelangen Ausschusssitzungen seziert werden, bevor man den obersten Dienstherrn öffentlich als nicht mehr tragbar stempelt.
Rücktrittsforderungen nutzen sich schnell ab, deswegen sollte man sie nicht aus der Emotion heraus formulieren. Häufige Wiederholungen nehmen ihr die Wucht.
Gewiss sind die Polizeifehler im Fall „Lügde“ so haarsträubend, dass man sich gar nicht vorstellen mag, dass das beispielhaft sein soll für die Kripo-Arbeit in NRW. Fast im Wochenrhythmus werden neue Pannen bekannt.
Innenminister Reul hatte angekündigt, dass seine Experten bei der internen Aufarbeitung der Pflichtverletzungen der zunächst zuständigen Kreispolizeibehörde Lippe „keinen Stein auf dem anderen lassen“ würden. Das Sprachbild wirkt nun arg unglücklich, wenn erst ein Abrissunternehmer weitere Datenträger auf der Campingparzelle des Hauptverdächtigen finden muss. Der markig formulierende Minister dürfte seine Worte künftig sorgsamer wägen. So schnell zurücktreten wird er wohl nicht.