Witten/Bochum. Im Streit um die Ausbeutung von Mitarbeitern bei „Domino’s Pizza“ in Witten ist ein Blitzurteil ergangen. Es macht anderen Betroffenen Mut.

Der Ex-Betreiber der schon länger geschlossenen Filiale von „Domino’s Pizza“ in Witten ist am Bochumer Arbeitsgericht in Abwesenheit zur Lohnnachzahlung an einen Pizzakurier verurteilt worden. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Ein Gerichtsvollzieher könnte den offenen Lohn praktisch sofort von dem Ex-Chef pfänden.

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Es war ein Bild mit Symbolcharakter, das sich am Montag, 2. Dezember, um neun Uhr am Bochumer Arbeitsgericht in Saal A1.01 bot. Auf der Klägerseite saß der Vater eines jungen Domino’s-Mitarbeiters, der von seinem Ex-Chef trotz zahlreicher Kurierfahrten mit seinen Lohnforderungen eiskalt alleine gelassen worden ist. Gegenüber auf dem vorgesehenen Platz für den Beklagten saß: niemand. Wie schon beim Gütetermin vor wenigen Wochen im November glänzte der frühere Betreiber des Domino’s-Stores an der Hauptstraße nur durch Abwesenheit. Trotz ordnungsgemäßer Ladung.

Lohn für 17 Arbeitsstunden in Witten muss nachgezahlt werden

Nach 15 Minuten Wartezeit auf den nicht erschienenen Beklagten gab Arbeitsrichterin Jessica Bollig ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der Streitfrage der Zahlungsklage des Wittener Pizzakuriers vollumfänglich statt. Im Wege eines so genannten „Versäumnisurteils“ wurde der Ex-Domino’s-Betreiber verurteilt, an den augenscheinlich von ihm wochenlang finanziell ausgebeuteten Ex-Mitarbeiter 136 Euro Lohn nachzuzahlen. Die Summe setzt sich aus 17 nicht bezahlten Arbeitsstunden zu einem vertraglich vereinbarten Stundenlohn von acht Euro zusammen.

Der Vater des damals noch jugendlichen Pizzakuriers ordnete den juristischen Erfolg im Gerichtssaal spontan so ein: „Das ist wohl eher ein moralischer Sieg.“ Es könne schon gut sein, dass das Urteil letztlich ein Titel für die Galerie sei („Vielleicht rahmen wir uns davon ein schönes Bild“). Dass der Ex-Domino’s-Chef sich einfach durch bloßes Fernbleiben aus jeglicher Konfrontation mit dem Thema der Ausbeutung seiner Mitarbeiter stehlen könne, empfinde er als „echt krass“, so der Wittener weiter. 

Vater von ausgebeutetem Pizzakurier: „Vielleicht rahmen wir uns davon ein schönes Bild“

Auch wenn er sich selbst wenig Hoffnungen mache, dass ein zwangsweises Eintreiben des eingeklagten Geldbetrages bei dem Ex-Betreiber Früchte trage, sei der Sieg auf dem Papier für ihn und seinen Sohn dennoch enorm „wichtig“. Alleine schon als Signal, dass krasse Ungerechtigkeiten letztlich erfolgt und bestraft gehören, weil alles andere doch nur dem Ungerechten in die Karten spiele.

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In den sozialen Medien, erzählte der Wittener Vater, hätten sich nach der WAZ-Berichterstattung zu Ungereimtheiten mit Mitarbeitern bei „Domino’s Pizza“ in Witten jedenfalls zahlreiche andere Betroffene gemeldet. „Die Resonanz war riesig. Und alle beklagen nahezu die gleichen Probleme mit diesem Mann.“

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Als sein Sohn und ein Freund seinerzeit im Winter 2023 mit dem Plan um die Ecke kamen, bei „Domino’s“ in Witten nebenher zu jobben, sei er zwar skeptisch, aber letztlich einverstanden gewesen. Dass die Jugendlichen sich dann voller Vorfreude auf das erste eigene Geld bei Eis und Schnee mit Kurierrädern abgestrampelt, eine Pizza nach der anderen ausgeliefert, aber keinen Cent Geld dafür bekommen haben, habe ihn schockiert - und seinen Sohn tief enttäuscht. „Man steht einfach nur machtlos da und kann seinem Kind nicht helfen“, erinnerte sich der Vater des Klägers.

Anderer Vater will jetzt nachziehen und auch Klage einreichen

Die Gruppe der Domino’s Mitarbeiter sei damals überwiegend nur über Whatsapp vernetzt, direkte Eins-zu-Eins-Kommunikation Mangelware gewesen. Regelrecht entlarvend sei die Reaktion des Chefs auf kritische Lohnnachfragen im Gruppenchat gewesen. Daraufhin seien die Fragensteller kurzerhand aus dem Chat „entfernt“ worden.

Begleitet wurde der Vater des Klägers zu dem Arbeitsgerichtstermin nach Bochum übrigens von einem befreundeten Vater eines scheinbar genauso dreist ausgenutzten Pizzakuriers. In diesem Fall soll es sogar um rund 280 Euro offenen Lohn gehen. „Ich will jetzt denselben Weg gehen und auch klagen“, sagte dieser Vater. Und das, so sein Rat, sollten auch alle anderen Betroffenen tun. „Wir werden ihn nicht Ruhe lassen.“