Witten. Seit 2004 wird in Witten immer montags um 17 Uhr protestiert. Einst ging es gegen Hartz-Gesetze. Heute erinnert die Mini-Demo an linke Folklore.

Immer wieder montags, Punkt 17 Uhr, geht es los: Dann stellen etwa zehn bis zwanzig Aktive der „Montagsdemo“ den Bollerwagen mit den Lautsprechern auf den Berliner Platz, entrollen ein Transparent. Romeo Frey (78) baut den Notenständer auf, schultert sein Akkordeon - und beginnt zu singen. So sieht Protest gegen soziale Ungerechtigkeit aus, wie er seit mittlerweile zwanzig Jahren öffentlich angeprangert wird. Mit Erfolg?

Die Gäste im „Café Extrablatt“ wirken eher genervt von den Reden, die da geschwungen werden. „Ich finde es richtig, dass sie protestieren. Aber vielleicht nicht dort, wo andere Menschen entspannen wollen“, meint eine junge Frau. Einige Herren, die es sich vor „Mr Baker“ bequem gemacht haben, sagen deutlich ihre Meinung: „Das ist viel zu laut. Davon bekommen wir Kopfschmerzen.“ Fiona und Ashley, beide 16, schauen der Mini-Demo zu. „Mir ist das schon öfter montags aufgefallen“, beschreibt Fiona das Spektakel. „Aber das ist schrecklich. Mit sowas ändert man doch nicht das politische System!“

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Die Aktiven der Montagsdemo sind da ganz anderer Meinung. 2004 nahmen zwischen 70 und 150 Menchen an den Protest-Kundgebungen teil. Auslöser war damals die Sozialpolitik unter der Regierung Schröder/Fischer mit ihren Hartz-Gesetzen. An diesem Montag (12.8.) erinnern sich einige vor dem „offenen Mikrofon“ an diese Anfänge. „Ich erinnere mich total gerne zurück“, sagt eine Frau und erzählt vom Streik der Opelaner.

Dirk, Protestler der ersten Stunde, verteilt Flyer, die für eine bundesweite Demo der Montagsdemonstranten in Eisenach werben. „Arbeiter und Erwerbslose gemeinsam gegen Faschismus und Sozialkahlschlag“ ist diese übertitelt. Schließlich: Die Montagsdemonstrationen gibt es bundesweit.

Wenig Aktive, die laut wirken: Die Montagdemo feiert ihr 20-jähriges Bestehen auf dem Berliner Platz in Witten.
Wenig Aktive, die laut wirken: Die Montagdemo feiert ihr 20-jähriges Bestehen auf dem Berliner Platz in Witten. © WAZ | Susanne Schild

Die Themen freilich haben sich geändert. Gegen Atomkraft, Corona-Auflagen, Ukraine-Krieg. „Die Themen sind vielfältiger geworden“, sagt Dirk. „Wir merken, dass wir damit die Leute berühren.“ Ein Mittel dazu sind auch die selbstgeschriebenen - teils satirischen - Lieder, die Romeo Frey vorträgt. „Ich habe inzwischen einen riesigen Schatz an Stücken“, erzählt der Hobbymusiker, und spielt den „Ein-Euro-Job-Blues“.

Vor allem MLPD-Mitglieder kommen zu Wort

Trotzdem, das Interesse hat abgenommen. 14 Jahre lang wurde jeden Montag in Witten demonstriert, inzwischen nur noch an einem Montag im Monat. Enttäuscht das die Aktiven nicht? „Es gehört schon ein tiefes Bewusstsein dazu, so lange durchzuhalten“, sagt Dirk. Und Romeo Frey, Gründer der Wittener Montagsdemo-Variante, ergänzt: „Über die Jahre haben wir viele tausend Menschen mit unseren Themen erreicht.“

Seit sich Romeo Frey, der sich in der Partei „Auf Witten“ engagiert, als Sprecher der Montagsdemo zurückgezogen hat, moderiert Jan Vöhringer von der MLPD. Überhaupt kommen viele der Redenden aus dem Umfeld der kommunistischen Kleinpartei. Die Montagsdemo als Protest der Linken - das will Romeo Frey so nicht stehen lassen.

„Es ist ein offenes Mikrofon und jeder kann sprechen“, betont er. „Wir sind auf Augenhöhe und gleichberechtigt. Gemeinsamer Nenner sei allerdings „eine Regierungspolitik, die Menschenrechte verachtet“. Nicht nur Vöhringer, auch Romeo Frey ist überzeugt, dass in Zukunft die Montagsdemonstrationen wieder zu einer Massenbewegung werden.

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