Witten. So nass war‘s im Ruhrtal lange nicht. Wittener Landwirte wie Jan Bockholt befürchten mickrige Mengen. Und wird Brot jetzt noch teurer?
Wie gut die Getreideernte wird, ist eine Frage der Ähre. Der immer wieder einsetzende starke Regen erschwert Aussaat und Wachstum. Jetzt soll die Sonne zwar wieder häufiger scheinen. Aber Sommer ist anders. Für Wittener Landwirte wie Jan Bockholt beginnt ein Wettkampf gegen die Uhr. Für ihn bleibt die Frage: Wie stark bleibt das Ernte-Ergebnis unter den Erwartungen? Für Verbraucher stellt sich die Frage: Werden Brot und Brötchen teurer?
Bei Ernte zählt jede Minute
Unten leuchten Wintergerste goldgelb, oben türmt sich graues Gewölk. Bockholt blickt von seinem Acker in Stockum sorgenvoll nach oben. Sobald es anfängt zu regnen, wird die Ernte mit einem bodenschonenden Mähdrescher unverzüglich abgebrochen. Es geht erst dann weiter, wenn’s wieder trocken ist. Aber wird es trocken bleiben?
Die Sorge ist berechtigt. Geerntetes Getreide sollte eine Restfeuchte von weniger als 15 Prozent haben. Der Landwirt weiß, dass selbst ein kurzer Wolkenbruch den Wert auf 20 Prozent und mehr hochtreibt. Feuchtes Getreide muss getrocknet werden. Das kostet Zeit und Geld.
Die „Regenzeit“ hat, wie sich Jan Bockholt erinnert, am 10. Oktober 2023 angefangen. „Das ist die Hauptaussaatsaison für Winterweizen. Sie ist sehr wichtig. Aber wir konnten den Acker nicht mehr befahren. Die geplante Frucht konnte nicht mehr eingesät werden.“ Bockholt und Kollegen übten sich im Frühjahr in Schadensbegrenzung. Sie säten Sommerweizen. „Das war auch schwierig bis fast nicht machbar.“
Ruhrverband misst 140 Prozent mehr Regen als gewohnt
Zahlen vom Ruhrverband belegen das. Laut Verbandssprecherin Britta Balt lagen die Niederschlagswerte binnen Jahresfrist im Ruhrtal bei Witten rund 140 Prozent über dem langjährigen Mittel. Insgesamt fielen 1164 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Dezember war mit 185 Litern der nasseste Monat seit Errichtung der Wetterstation vor 20 Jahren, gefolgt vom Mai mit 163 Litern.
Pilze greifen Aussaat an
Was in die Erde kam, wuchs schlecht. Der Boden war zu feucht. Zudem setzten Pilze den jungen Pflanzen zu. Jan Bockholt erwartet mickrige Mengen. Der Agraringenieur baut Raps an, Weizen, Gerste, Hafer, auch Ackerbohnen.
Dabei lohnt sich Landwirtschaft auf den heimischen sandigen Lössböden. „Das ist guter Boden.“ Seine Familie ackert seit 1648 am Papenholz. Jan Bockholt bewirtschaftet 135 Hektar Land. Der 39-Jährige hat Fläche dazugepachtet – etwa im Bochumer Süden. Er hat einen festen Mitarbeiter. Ansonsten zählt Netzwerken. Bauern helfen sich gegenseitig mit Landmaschinen und Dienstleistungen.
Der Abstimmungsbedarf ist hoch. Die Wege fürs Gerät sind oft lang. Effizienz ist angesagt. Jede Minute zählt – auch wenn der Arbeitstag bis zu 16 Stunden lang ist. „Wir sind an manchen Tagen bis 24 Uhr auf dem Acker“, sagt Bockholt, auch wenn längst GPS-gesteuerte Landmaschinen im Einsatz sind.
Der Bauer hat auch einen Selbstpflückacker angelegt. Das ist ein fünf Hektar großer Gemüsegarten: Kartoffeln, Zuckermais, Rote Beete, Zucchini, Kürbisse und Buschbohnen. Fans von frischem Gemüse wissen diese Form der Direktvermarktung zu schätzen. Doch die Regenzeit schiebt den Erntebeginn 14 Tage nach hinten.
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Bockholt erntet gerade Wintergerste. Sie ist Bestandteil von Tierfutter. Abnehmer sitzen im Münsterland. Aber auch Brotgetreide muss eingefahren werden.
Angesichts nach wie vor hoher Lebensmittelkosten fragen sich Verbraucher, ob Backwaren womöglich teurer werden. Die Landwirtschaftskammer NRW gibt Entwarnung: Die Preise für Brot- und Futtergetreide schwächeln. Für Verbraucher ist das eine gute Nachricht. Jan Bockholt jedoch treibt sie Sorgenfalten auf die Stirn.
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