Witten. So nass war‘s im Ruhrtal lange nicht. Wittener Landwirte wie Jan Bockholt befürchten mickrige Mengen. Und wird Brot jetzt noch teurer?

Wie gut die Getreideernte wird, ist eine Frage der Ähre. Der immer wieder einsetzende starke Regen erschwert Aussaat und Wachstum. Jetzt soll die Sonne zwar wieder häufiger scheinen. Aber Sommer ist anders. Für Wittener Landwirte wie Jan Bockholt beginnt ein Wettkampf gegen die Uhr. Für ihn bleibt die Frage: Wie stark bleibt das Ernte-Ergebnis unter den Erwartungen? Für Verbraucher stellt sich die Frage: Werden Brot und Brötchen teurer?

Das Mähwerk ist sieben Meter lang. Der raupe
Das Mähwerk ist sieben Meter lang. Der raupe © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Bei Ernte zählt jede Minute

Unten leuchten Wintergerste goldgelb, oben türmt sich graues Gewölk. Bockholt blickt von seinem Acker in Stockum sorgenvoll nach oben. Sobald es anfängt zu regnen, wird die Ernte mit einem bodenschonenden Mähdrescher unverzüglich abgebrochen. Es geht erst dann weiter, wenn’s wieder trocken ist. Aber wird es trocken bleiben?

Jan Bockholt zeigt lockeren, trotz Befahrung mit schwerem, 24 Tonnen wiegendem Mähdrescher gut durchwurzelbaren Ackerboden. Der Antrieb des Dreschers erfolgt per Gummi-Gleißkette.
Jan Bockholt zeigt lockeren, trotz Befahrung mit schwerem, 24 Tonnen wiegendem Mähdrescher gut durchwurzelbaren Ackerboden. Der Antrieb des Dreschers erfolgt per Gummi-Gleißkette. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Sorge ist berechtigt. Geerntetes Getreide sollte eine Restfeuchte von weniger als 15 Prozent haben. Der Landwirt weiß, dass selbst ein kurzer Wolkenbruch den Wert auf 20 Prozent und mehr hochtreibt. Feuchtes Getreide muss getrocknet werden. Das kostet Zeit und Geld.

Die „Regenzeit“ hat, wie sich Jan Bockholt erinnert, am 10. Oktober 2023 angefangen. „Das ist die Hauptaussaatsaison für Winterweizen. Sie ist sehr wichtig. Aber wir konnten den Acker nicht mehr befahren. Die geplante Frucht konnte nicht mehr eingesät werden.“ Bockholt und Kollegen übten sich im Frühjahr in Schadensbegrenzung. Sie säten Sommerweizen. „Das war auch schwierig bis fast nicht machbar.“

Ruhrverband misst 140 Prozent mehr Regen als gewohnt

Zahlen vom Ruhrverband belegen das. Laut Verbandssprecherin Britta Balt lagen die Niederschlagswerte binnen Jahresfrist im Ruhrtal bei Witten rund 140 Prozent über dem langjährigen Mittel. Insgesamt fielen 1164 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Dezember war mit 185 Litern der nasseste Monat seit Errichtung der Wetterstation vor 20 Jahren, gefolgt vom Mai mit 163 Litern.

Pilze greifen Aussaat an

Was in die Erde kam, wuchs schlecht. Der Boden war zu feucht. Zudem setzten Pilze den jungen Pflanzen zu. Jan Bockholt erwartet mickrige Mengen. Der Agraringenieur baut Raps an, Weizen, Gerste, Hafer, auch Ackerbohnen.

Dabei lohnt sich Landwirtschaft auf den heimischen sandigen Lössböden. „Das ist guter Boden.“ Seine Familie ackert seit 1648 am Papenholz. Jan Bockholt bewirtschaftet 135 Hektar Land. Der 39-Jährige hat Fläche dazugepachtet – etwa im Bochumer Süden. Er hat einen festen Mitarbeiter. Ansonsten zählt Netzwerken. Bauern helfen sich gegenseitig mit Landmaschinen und Dienstleistungen.

Der Tag, als der Regen kam: Dienstag, 16. Juli, startete mit schönem Sommerwetter. Später stoppte aber dann doch ein Guss die Ernte.
Der Tag, als der Regen kam: Dienstag, 16. Juli, startete mit schönem Sommerwetter. Später stoppte aber dann doch ein Guss die Ernte. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Der Abstimmungsbedarf ist hoch. Die Wege fürs Gerät sind oft lang. Effizienz ist angesagt. Jede Minute zählt – auch wenn der Arbeitstag bis zu 16 Stunden lang ist. „Wir sind an manchen Tagen bis 24 Uhr auf dem Acker“, sagt Bockholt, auch wenn längst GPS-gesteuerte Landmaschinen im Einsatz sind.

Der Bauer hat auch einen Selbstpflückacker angelegt. Das ist ein fünf Hektar großer Gemüsegarten: Kartoffeln, Zuckermais, Rote Beete, Zucchini, Kürbisse und Buschbohnen. Fans von frischem Gemüse wissen diese Form der Direktvermarktung zu schätzen. Doch die Regenzeit schiebt den Erntebeginn 14 Tage nach hinten.

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Landwirt Jan Bockholt im Interview mit WAZ-Redakteur Jürgen Overkott
Landwirt Jan Bockholt im Interview mit WAZ-Redakteur Jürgen Overkott © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

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