Witten. Vincent Sobel hat am Arbeitsplatz einen Herzinfarkt erlitten. Zur Erstversorgung kam kein Notarzt. Der EN-Kreis rechtfertigt seine Entscheidung.

Es gibt Tage im Leben eines Menschen, die alles ändern. Für Vincent Sobel war es der Mittwoch, 29. Mai. Der Wittener Hörgeräte-Experte erlitt damals einen Herzinfarkt. Mit 30. Er schwebte in Lebensgefahr, hatte Todesangst. Was als Drama begann, endete glimpflich. Der Mitarbeiter eines Wittener Geschäfts für Optik und Hörgeräteakustik hatte einen Schutzengel.

Vincent Sobel erzählt seine berührende Geschichte nüchtern, aber so detailliert, als spule er in seinem Kopf einen Film ab: Der junge Mann ist an seinem Arbeitsplatz. Die Mittagspause naht. Vincent Sobel erinnert sich sogar an die genaue Zeit: 12.43 Uhr. Plötzlich spürt er Druck auf der Herzseite der Brust – und einen „stechenden Schmerz im linken Arm“. Dem Handwerker schießt gleich der Gedanke an einen Herzinfarkt durch den Kopf. „Da habe ich eine Panikattacke bekommen.“ Anschließend kippt er mit den Worten „Ruft bitte den Krankenwagen!“ vom Stuhl.

Lesen Sie auch

„Ich habe alles miterlebt“, beschreibt Vincent Sobel seine damalige Notlage. „Meine Kollegen haben bei der Leitstelle angerufen, meinen Fall geschildert, von Herzinfarkt erzählt, und da hieß es: Herzinfarkt – das kann nicht sein.“ Die Leitstelle sei bei ihrer Einschätzung geblieben. „Es sind nur Rettungssanitäter gekommen, aber kein Notarzt. Meines Wissens kommt normalerweise bei einem Infarkt direkt ein Notarzt“, so der 30-Jährige. Was sagt der für den Rettungsdienst zuständige Ennepe-Ruhr-Kreis dazu?

Die Leitstelle des Ennepe-Ruhr-Kreis schickte schnell einen Rettungswagen zu dem jungen Herzinfarkt-Patienten. Ein Notarzt indes war nicht dabei.
Die Leitstelle des Ennepe-Ruhr-Kreis schickte schnell einen Rettungswagen zu dem jungen Herzinfarkt-Patienten. Ein Notarzt indes war nicht dabei. © dpa | Nicolas Armer

„Auf einen Notarzt wurde mit Blick auf das Meldebild und die Verfahrensanweisungen verzichtet.“

Kira Scheven
Sprecherin des Ennepe-Ruhr-Kreises

Der Leitstelle sei lediglich „ein unklarer Bewusstseinsverlust“ gemeldet worden, erklärt Kreissprecherin Kira Scheven auf Anfrage der Redaktion. Daher habe sie bloß einen Rettungswagen geschickt. „Auf einen Notarzt wurde mit Blick auf das Meldebild und die Verfahrensanweisungen verzichtet.“

Seltene Erkrankung

Sind Herzinfarkte bei 30-Jährigen ungewöhnlich? Fachleute bejahen die Frage: „Herzinfarkte im jungen Alter kommen zum Glück selten vor.“ Grund dafür sei oft ein ungesunder Lebensstil in Kombination mit erblichen Faktoren. Es gebe aber weitere Ursachen für einen Infarkt mit 30, darunter ein Schock oder eine akute schwere Blutung.

Die Besatzung des Rettungswagens - Notfallsanitäter und Rettungssanitäter - verfügen über die für solche Einsätze notwendigen medizinische Kenntnisse und Ausbildungen, wie es weiter heißt. „Sie haben sich innerhalb kürzester Zeit um die Versorgung des Patienten gekümmert“, teilt die Kreis-Sprecherin mit. „Unter anderem wurde ein EKG durchgeführt, auf dem Veränderungen diagnostiziert wurden, die einer weiteren Abklärung im Krankenhaus bedurften.“

Ennepe-Ruhr-Kreis rechtfertigt Entscheidung

Warum wurde kein Notarzt nachgefordert? Kira Scheven: „Zum einen war der Patient kreislaufstabil, zum anderen lag das Marien-Hospital mit einer geeigneten kardiologischen Abteilung in räumlicher Nähe zum Einsatzort.“ Die Sanitäter haben, wie es heißt, entschieden, es sei günstiger für den Notfall-Patienten, schnell ins Krankenhaus gebracht zu werden, als vor Ort auf den Notarzt zu warten.

Im Rückblick sei die Entscheidung richtig gewesen, nicht von vornherein einen Notarzt geschickt zu haben. Der Patient sei schnell versorgt und „sehr zügig“ in ein geeignetes Krankenhaus gebracht worden.

Vincent Sobel ist von seiner überraschenden Herzattacke selbst im Nachhinein überrascht. Er habe nie zuvor Herzprobleme gehabt. Auch als Risikopatient habe er nicht gegolten. Sein Gewicht ist normal. Vincent Sobel fährt Rad. Inzwischen weiß er: „Väterlicherseits habe ich ein leichtes Cholesterinproblem. Das habe ich wohl geerbt.“

Längst ist Vincent Sobel medikamentös eingestellt - was bei ihm als Bluter, wie er sagt, eine medizinische Herausforderung gewesen sei. Inzwischen hat der junge Mann seine Berufsarbeit wieder aufgenommen. Seine Stimme klingt fest. Und er hat offensichtlich seine Lebensfreude zurückgewonnen. Ab sofort hat Vincent Sobel zwei Mal Geburtstag: Ende April und danach am 29. Mai.

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.