Witten. Die Sommer werden immer heißer. Amtsärzte schlagen vor, für bestimmte Arbeitsplätze eine Siesta einzuführen. So reagieren Wittener Firmen.

In diesen Tagen kommt wohl kaum die Vermutung auf, dass die Sommer hierzulande immer heißer werden. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das wiederum hat Amtsärzte dazu veranlasst, eine längere Mittagspause für Beschäftigte zu fordern, eine Siesta wie in Ländern Südeuropas. Der Vorschlag sorgt für durchaus heiße Diskussionen – auch in Witten.

Skeptisch, was eine Siesta betrifft: Katja Lohmann-Hütte, Geschäftsführerin des Wittener Spezialstahlherstellers Friedr. Lohmann.
Skeptisch, was eine Siesta betrifft: Katja Lohmann-Hütte, Geschäftsführerin des Wittener Spezialstahlherstellers Friedr. Lohmann. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Katja Lohmann-Hütte, Geschäftsführerin des Spezialstahlherstellers Friedr. Lohmann, sieht den Vorstoß mit erheblicher Skepsis. „Wir arbeiten im Drei-Schicht-Betrieb, da lässt sich eine verlängerte Mittagspause von ein oder zwei Stunden kaum einbauen.“ Die Hitzebelastung sei in der Firma von jeher ein Thema, schließlich gehören auch eine Schmiede und Walzstraße dazu.

In den Arbeitsbereichen des Lohmann-Werkes mit besonders hohen Temperaturen sind Klimaanlagen eingebaut.
In den Arbeitsbereichen des Lohmann-Werkes mit besonders hohen Temperaturen sind Klimaanlagen eingebaut. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

In den Arbeitsbereichen, in denen besonders hohe Temperaturen herrschen, sind Lohmann-Hütte zufolge Klimaanlagen im Einsatz. Kostenloses Mineralwasser für die 375 Beschäftigen sei außerdem selbstverständlich. In den Sommermonaten verteile der Betriebsrat auch Eis.

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Es sei keine Frage, dass gerade seine Leute und die gesamte Branche unter der Hitze zu leiden hätten, sagt Dachdeckermeister Uwe Braukmannn (61). Und die Aussichten auf immer höhere Temperaturen über einen längeren Zeitraum seien in der Tat nicht rosig.

An besonders heißen Tagen ist auf dem Dach um 11 Uhr Schluss

An besonders heißen Tagen fangen seine drei Mitarbeiter und er morgens früher an, meist bereits gegen fünf Uhr, um dann schon um elf Uhr Schluss zu machen. Die Regelung mit kürzeren Arbeitstagen habe sich bewährt. An kühleren Tagen fielen dann allerdings auch mal zehn oder elf Stunden an. Die vorgeschlagene Siesta hat für Braukmann einen entscheidenden Nachteil. „Die Leute haben doch dann viel später Feierabend. Das Familienleben kommt zu kurz.“

Diese Kritik teilt Verdi-Sekretär Oliver Bartelt, der sich um Speditionen und Logistikzentren kümmert. „Gerade in heutiger Zeit ist es vielen Beschäftigten wichtig, so viel Zeit wie möglich mit der Familie, den Kindern, der Frau zu verbringen.“ Wenn zum Beispiel ein Fahrer zwischendurch zwei Stunden oder noch länger pausieren müsse, wäre das wahrscheinlich nicht nach dessen Geschmack.

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Ob eine so lange Unterbrechung überall zielführend sei, bezweifelt Bartelt. „Viele Lagerhallen heizen sich extrem auf. Selbst wenn seit den Morgenstunden durchgelüftet wird, steht die Hitze bis in den späten Abend.“

Arbeitgeberchef: Starre Arbeitszeitregelung ändern

Eine Siesta-Regelung lasse sich gerade bei produzierenden Unternehmen mit Schichtmodellen nur schwierig gestalten, sagt Özgür Gökce, Geschäftsführer des Märkischen Arbeitgeberverbandes. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass es jetzt schon einen rechtlichen Rahmen gebe, der Mitarbeiter vor zu hohen Außentemperaturen schützen solle.Im Einzelfall seien sicherlich zusätzliche Maßnahmen erforderlich.

Wo es aus Sicht von Unternehmen und Beschäftigten möglich sei, die Arbeit in den frühen Morgen- und späten Abendstunden zu leisten, wäre eine Reform des Arbeitszeitrechts „mit seinen starren Regelungen“ notwendig, so Gökce. „Bislang müssen zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn offiziell mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen.“

Fazit: Noch scheint es ein weiter Weg bis zum offiziellen Mittagsschlaf in Witten zu sein.

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