Witten. Das Kassenhäuschen ist Geschichte: Die SB-Tankstelle an der Dortmunder Straße in Witten wurde umgerüstet. Zapfen geht nur noch mit Kartenzahlung.
Im europäischen Ausland, etwa in Frankreich oder den Niederlanden, ist es längst üblich, dass man rund um die Uhr an einer Automatentankstelle Benzin oder Diesel zapfen und mit EC- oder Kreditkarte bezahlen kann. Im bargeldverliebten Deutschland sind solche Tankstellen eine Seltenheit. Keine Zapfsäule ohne Kassenhäuschen! Doch die Zeiten ändern sich. An der Dortmunder Straße hat jetzt eine solche Automatenstation eröffnet.
Viele Wittenerinnen und Wittener kennen die SB-Tankstelle zwischen „House of Carwash“ und Konkurrent Esso. Sie wird seit seit Generationen von der Familie Rüping betrieben. Schon die Urgroßeltern des jetzigen Inhabers Stephan Rüping hatten dort eine Kfz-Werkstatt plus Benzinverkauf. Seit dem Tod seines Vaters Wilhelm sah man meist Mutter Angelika im Kassenhäuschen. Mit 70 Jahren setzt sie sich nun zur Ruhe. Stephan Rüping, 36, Berufsfeuerwehrmann in Dortmund, möchte den Traditionsbetrieb, aber auch seinen Beruf, nicht aufgeben. So kam ihnen das Pilotprojekt ihres Lieferanten „Rheinland Kraftstoff“ ganz zupass.
Höhere Rentabilität ohne Partnerbetrieb
Denn das mittelständische Unternehmen aus Gelsenkirchen hat in Witten zum ersten Mal eine Automatentankstelle eröffnet. Überhaupt ist das Prinzip in Deutschland wenig bekannt.
„Aufgrund der Rentabilität“, so Stefanie Gendera, Marketing-Managerin von Rheinland Kraftstoff, habe man sich gegen den Betrieb mit einem Tankstellenpartner entschieden. „Wir danken der Familie Rüping, dass wir nach über 20 Jahren sehr guter Zusammenarbeit diesen neuen Weg mit ihnen weitergehen dürfen.“ Den wirtschaftlichen Vorteil einer Automatenstation könne man nun an die Kundschaft weitergeben. Und: „Wir möchten uns innovativ aufstellen und mit der Selbstbedienungstankstelle auch den Kundenwünschen nach Flexibilität und Schnelligkeit beim Tanken entsprechen.“
Zwei, drei Cent billiger als die Konkurrenz
Im letzten halben Jahr schien die Wittener SB-Tankstelle geschlossen zu sein. Tatsächlich wurde sie aber umgebaut. Die Tür zum Kassenhäuschen ist zu, die Schaufensterscheiben sind bunt und blickdicht beklebt. Stattdessen steht dort der Bezahlautomat.
Viele Kunden stoppen bereits an der Automatentankstelle. Schließlich gibt es ein gutes Argument. Ohne Personal ist der Treibstoff dort günstiger, was Apps und die Preisinfotafel auch anzeigen. „Mindestens zwei bis drei Cents unter der Konkurrenz“, nennt Stephan Rüping das Prinzip. Allerdings sei nichts in Stein gemeißelt. Seit der Inbetriebnahme vor zwei Wochen seien sie auch schon mal elf Cent billiger oder zwei Cent teurer gewesen.
Erst zum Bezahlautomaten, dann zur Zapfsäule
Das Ehepaar Röhrdanz, das wir zufällig treffen, ist wie viele Kunden erst einmal verwirrt. Denn es gilt: Erst muss man zum Bezahlautomaten, dann darf man zapfen. An der Bezahlstation wird vorab ein Betrag von bis zu 150 Euro auf der Bankkarte „reserviert“.
Man wählt den Zapfpunkt und den Kraftstoff, zieht die Karte wieder aus dem Automaten und tankt. Erst wenn der Zapfhahn wieder einhängt wird, wird die tatsächliche Summe abgebucht. Wenn man möchte, kann man sich dazu am Bezahlautomaten einen Beleg ausdrucken. „Man versteht das Prinzip relativ schnell, wenn man es ein paar Mal gemacht hat“, glaubt Stephan Rüping.
Nur wenige öffnen rund um die Uhr
Nur wenige Tankstellen in Witten haben 24 Stunden am Tag geöffnet. Da wären die Esso-Stationen (Dortmunder Straße, Friedrich-Ebert-Straße, Bochumer Straße) und zwei Aral-Tankstellen (Hammertal, Sprockhöveler Straße 1). Die Aral in Herbede zum Beispiel öffnet nur 6 bis 22 Uhr.Die Jet (Dortmunder Straße) öffnet 6 bis 22 Uhr, die HEM in Annen 5 bis 0 Uhr und die HEM in Bommern wiederum 6 bis 22 Uhr. Das Lente-Center an der Bergerstraße bedient von 7 bis 20 Uhr. Die Sprint in Heven oder Thiemann in Stockum öffnen werktags von 6 bis 21 Uhr, am Wochenende geht es später los.
Eine Automatentankstelle klingt nach wenig Arbeit, aber noch ist es das nicht. „Wir müssen zweimal am Tag vorbeifahren und nach dem Rechten gucken“, sagt der 36-Jährige. So sei auch schon etwas zerstört worden – trotz Videokameras und einem „Notknopf“. Wenn man diesen drückt, erreicht man rund um die Uhr eine echte Person in einem Callcenter und bekommt Hilfe. Die Rüpings sehen das Projekt als Feldversuch. Sie geben ihre Erfahrungen an Rheinland Kraftstoffe weiter.
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„Zwei Wochen nach der Wiederinbetriebnahme können wir noch keine validen Aussagen zu der Kundenakzeptanz treffen“, meint Stefanie Gendera von dem Mineralstoffunternehmen auf die Frage nach einem Fazit. „Wir sehen jedoch eine positive Resonanz der Kunden.“
Die Familie Rüping tat sich anfangs schwer damit, etwas zu betreiben, womit letztlich Arbeitsplätze vernichtet werden. „Aber so konnten wir unseren Betrieb erhalten, uns aber auch dem modernen Leben anpassen“, sagt Stephan Rüping. Angst vor Neuem hat die Familie nicht, das konnte man schon vor 29 Jahren in der Zeitung nachlesen. Da waren sie eine der ersten Tankstellen in Witten, die Biodiesel anbot.