Witten. Seit Jahren klagt die Johannisgemeinde im Zentrum von Witten über Belästigungen und Vandalismus durch Jugendliche. Was sie nun dagegen tun will.
Vandalismus, Müll und auch Brandstiftung: Die Johannisgemeinde in der Innenstadt hat sich entschlossen, ihr Kirchengrundstück mit sechs Videokameras zu sichern, die jetzt installiert wurden.
Seit Jahren beklagt die Gemeinde – auch öffentlich – ihre Probleme mit Jugendlichen, die einen Migrationshintergrund hätten. An Wittens ältester Kirche habe sich die Situation jetzt aber weiter zugespitzt, sagt Pfarrer Wolfram Linnemann. Auch über Tore am Grundstück, Privatgelände der evangelischen Gemeinde, werde deshalb nachgedacht.
Im jüngsten Gemeindebrief nimmt Küsterin Blazenka Weber-Lorenz kein Blatt vor den Mund. Die 61-Jährige schildert dort in einem Interview, was ihr auf der Seele brennt. Im Sommer werde an der Kirche bei lauter Musik gefeiert „und die Notdurft in den Ecken verrichtet“. Geklagt wird über Graffiti-Schmierereien an der Kirchenmauer und zerschlagene Flaschen auf dem Kirchplatz. Weber-Lorenz und ihr Mann sind im März aus dem Küsterhaus an der Johanniskirche ausgezogen, weil die Situation vor Ort für sie nicht mehr zu ertragen war. Im Haus wohnt jetzt ihr Sohn mit seiner Familie.
Mülltonnen direkt vor dem Küsterhaus an der Wittener Johanniskirche angezündet
Die Belästigungen durch die Jugendlichen gebe es tagsüber, abends, nachts - je nach Wochentag und Wetterlage, sagt Weber-Lorenz. Pfarrerin Julia Holtz, heute Superintendentin, hatte sich deswegen schon 2016 hilfesuchend an Bürgermeisterin Sonja Leidemann gewandt. Die Probleme wurden an einem runden Tisch gemeinsam mit der Polizei und dem Ordnungsamt besprochen. Beide seien auch immer wieder vor Ort gewesen, geändert habe sich nichts, sagt die Küsterin.
In diesem Januar wurden Mülltonnen direkt vor ihrem Küsterhaus in Brand gesetzt, Pfingstmontag offenbar glühende Kohlen unter das Lichtschacht-Gitter an der Sakristei gelegt. Am Pfingstdienstag, als die Organistin der Gemeinde, Miso Kim, die Kirche betrat, war diese voller Rauch. Pfarrer Linnemann: „Wir haben versucht zu lüften, was nicht ausreichte.“ Einen Tag später musste die Feuerwehr dann für frische Luft im Gotteshaus sorgen. Unter der Sakristei befindet sich die Gasheizung. Da hätte auch noch mehr passieren können, meint der Pfarrer. Am Eingang der Kirche sei 2019 auch schon Sperrmüll in Flammen aufgegangen.
Tore könnten das Kirchengrundstück in Witten abends und nachts sichern
Im Sommer 2019 waren Tische und Stühle des Lokals Casa Cuba vom Rathausplatz zum Kirchplatz getragen worden. „Es wurde gefeiert und randaliert“, erinnert sich Blazenka Weber-Lorenz. Die jungen Männer, die es sich regelmäßig auf dem hinteren Kirchplatz mit Essen und Getränken gemütlich machen, haben von dort aus einen freien Blick auf den Kornmarkt, die Haupt- und die Ruhrstraße. „Wenn die Polizei kommt, sind die weg.“
An der Kirche werde auch mit Drogen gehandelt, sind sich Pfarrer und Küsterin sicher. Wolfram Linnemann hält auch die Öffnungszeiten der Kioske in der Johannisstraße, in denen man bis zum frühen Morgen Alkohol kaufen könne, für ein Problem. Die Stadt teilte ihm mit, man könne diesen Verkauf bis in den Morgen hinein nur unterbinden, wenn es nachweislich einen Zusammenhang mit Straftaten gebe.
Wittens älteste Kirche
Die Johanniskirche ist Wittens älteste Kirche, deren Ursprünge bis ins 9. Jahrhundert zurückgehen. Sie wurde Johannes dem Täufer geweiht und ist seit 1582 eine evangelische Kirche. 1752 wurde sie aus Bruchstein, der vom Hohenstein stammte, neu erbaut.
Das Kirchenschiff erhielt damals bereits seine heutige Größe. 1856 wurde es um den heutigen Chorraum erweitert. Die Kirche wurde während des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört, danach wieder aufgebaut und am 1. Advent 1952 neu geweiht. Im Geläut erklingt neben den drei Glocken aus den Jahren 1952/53 immer noch die Katharinenglocke von 1501.
Derzeit denkt die Johannisgemeinde darüber nach, ihr Grundstück durch Tore zu sichern. Ein erstes Tor könnte am Zugang zum großen Parkplatz an der Bonhoefferstraße hin installiert werden, ein zweites hinter dem Küsterhaus, sagt der Pfarrer. Sie könnten tagsüber auf sein und abends geschlossen werden. Sollte dies nicht ausreichen, sei auch noch mehr denkbar. So könne auch ein Tor an der Zufahrt zum Kirchhof stehen. Die Treppenzugänge zur Johanniskirche sollen zunächst geöffnet bleiben.
Küsterin wünscht sich Bänke und Blumen – einen Raum ohne Angst und Müll
Küsterin Blazenka Weber-Lorenz würde sich wünschen, dass der Platz an der älteste Kirche der Stadt wieder zu einem schönen Aufenthaltsort wird. „Nicht nur für Gemeindemitglieder, sondern auch für alle Bürger.“ Bänke und Blumen an der Johanniskirche - ein Raum ohne Müll und Angst, das ist ihr Traum.