Witten. Rund 55 Menschen werden in Witten-Bommern ein neues Zuhause finden. Kinder, Frauen und Männer, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchteten.
Rund 55 vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtete Menschen, darunter 30 Kinder, werden in der kommenden Woche in ein Haus in Bommern ziehen können. Was durch einen glücklichen Umstand und die tatkräftige Hilfe vieler möglich wird. In der Merianstraße besitzt die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte ein Haus, das eigentlich abgerissen werden sollte. Die Genossenschaft möchte dort neu bauen. Als klar war, dass geflüchtete Ukrainer auch nach Witten kommen, entschloss man sich spontan, das Haus für Kriegsflüchtlinge zur Verfügung zu stellen.
Die Menschen, die in die Merianstraße ziehen werden, leben bislang in der städtischen Unterkunft an der Brauckstraße und auch an anderen Stellen in der Stadt. Frank Nolte, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft: „Die früheren Mieter unseres Hauses waren alle bereits in andere Wohnungen aus unserem Bestand gezogen.“ Dass das Gebäude aus den 60er Jahren noch nicht entkernt war, noch mit Wasser und Strom versorgt wird, ist ein Glücksfall. Wittener Handwerksfirmen, die für die Genossenschaft arbeiten, erklärten sich bereit, kostenlos in den Wohnungen tätig zu werden, damit diese jetzt wieder bezogen werden können.
Rund 70 Ukrainer kann die Wohnungsgenossenschaft unterbringen
Ein neues Zuhause für große Familien, aber auch Mütter, die nur mit ihren Kindern nach Witten gekommen sind. „Wir sehen das als unsere menschliche Pflicht an“, sagt Gerhard Rother, technischer Vorstand der Genossenschaft. Auch vier weitere Wohnungen habe man für Ukrainer zur Verfügung gestellt. Insgesamt rund 70 Menschen werden von dieser Hilfsbereitschaft profitieren. Die Wohnungen in Bommern vermietet die Genossenschaft zum Selbstkostenpreis. Nur die Nebenkosten und eventuell anfallende Reparatur- und Verwaltungskosten würden in Rechnung gestellt, so Frank Nolte. Die Stadt übernehme dies.
Wittener Handwerker arbeiteten kostenlos für Flüchtlinge
Die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG wurden am 22. August 1895 als Spar- und Bauverein gegründet und ist heute mit rund 1800 Wohnungen das größte und älteste Wohnungsunternehmen in Witten. In der Merianstraße in Bommern besitzt die Wohnungsgenossenschaft vier Häuser.
Eines stellt sie jetzt für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung. Das Wittener Bauunternehmen Rödiger sowie die Wittener Handwerksfirmen, Ferber, Meewes, Fleitmann und Lauterbach haben kostenlos in dem Haus gearbeitet, damit dieses in der kommenden Woche bezogen werden kann.
Ein Großteil der Wohnungseinrichtungen wurde durch Spenden des Rotary-Clubs Witten-Hohenstein in Zusammenarbeit mit den Einrichtungshäusern Ostermann und Sirrenberg in Sprockhövel zur Verfügung gestellt. Auch Mitglieder der Wohnungsgenossenschaft Mitte haben sich mit Sachspenden engagiert. Etwa Stephanie Pieper von der Hausverwaltung. Sie erhielt viele Dinge von ihrer Familie – darunter Betten und Geschirr, Toaster, Wasserkocher, auch einen Esstisch samt Stühlen. „Das waren Sachen, die man im Keller aufbewahrt und die jetzt einen guten Zweck erfüllen“, freut sie sich.
Neunfacher Vater floh mit seiner Familie über Polen nach Witten
Am Freitag wurden die Möbel in die Bommeraner Wohnungen gebracht. Auch ukrainische Männer waren gekommen, um hierbei zu helfen. Unter ihnen war Ivan Riapolov. Der 45-Jährige ist mit seiner Frau und seinen neun Kindern im Alter von elf Monaten bis 22 Jahren nach Witten geflohen. Die Familie stammt aus der zweitgrößten Stadt der Ukraine, Charkiw. Diese sei mittlerweile zu rund 80 Prozent zerstört, erzählt der Mann. Mit mehreren Autos sei die Familie über Polen nach Deutschland gefahren. Aufgebrochen sei man schon wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs.
Warum zog es die große Familie nach Witten? Ivan Riapolov sieht den Übersetzer Eduard Tkachov an, der ebenfalls aus der Ukraine stammt. Er ist in Witten mit einer Russlanddeutschen verheiratet. Den Flüchtling Ivan Riapolov kennt Tkachov aus der Zeit, als er noch selbst in der Ukraine lebte. Der junge Mann, der in diesen Tagen für seine Landsleute übersetzt, arbeitet eigentlich als Kfz-Mechatroniker in einer Dortmunder Firma. Derzeit aber geht er nicht zur Arbeit. Er hat seinem Chef gesagt, er müsse jetzt den Flüchtlingen helfen.
Ukrainer möchte bald arbeiten können
Familienvater Ivan Riapolov sieht erneut den Übersetzer an und lächelt. Dann sagt er, sein Herz gehöre der Ukraine. Dass er dorthin bald zurückkehren kann, das glaubt der 45-Jährige allerdings nicht. In seiner Heimat hat er als Heizungs- und Sanitärfachmann an der Universität der Millionenstadt Charkiw gearbeitet. Sein eigenes Geld verdienen, das möchte der neunfache Familienvater auch recht bald in Deutschland.