Witten. Personalnot, Angst und zusätzliche Aufgaben durch Corona: Eine Kita in Witten macht ihrem Corona-Frust Luft. Man sei für die Politik unsichtbar.
Immer höhere Anforderungen durch die Corona-Pandemie, Personalmangel und Angst um die eigene Gesundheit: In einem offenen Brief machen die Erzieherinnen des Spiel- und Kinderhauses in Witten-Annen ihrem Ärger Luft. Von der Politik fühlen sie sich im Stich gelassen. Man wundere sich „nicht oder nur kaum über die ‘Nichterwähnung’ in Pressekonferenzen“, heißt es in dem vor Ironie strotzenden Brief.
„Wir sind einfach am Limit, die Kraft reicht bald nicht mehr“, sagt Susanne Olm-von Kostka stellvertretend für das 20-köpfige Team der Kindertagesstätte. Daher habe man den Brief verfasst, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Dauernd falle jemand aus, erzählt Olm-von Kostka. Oft würden die Kolleginnen direkt für eine Woche oder länger krank geschrieben.
Die Situation sei im Prinzip nicht mehr zu handhaben – besonders zu den Bring- und Abholzeiten: Da Eltern die beiden Gebäude der Kita derzeit nicht betreten dürfen, muss immer eine Erzieherin je Gruppe die Kinder nach und nach am Eingang abholen. Und ihnen im Anschluss beim Ausziehen helfen und mit ihnen Händewaschen gehen.
Eine Erzieherin ist in Witten auch mal allein mit 19 Kindern
Wenn die Kinder nach dem Mittagessen nach und nach abgeholt werden, wiederholt sich die Situation. „Es ist eine unglaubliche Rennerei“, so die 58-Jährige. Am Dienstag war Olm-von Kostka nur mit einer einzigen weiteren Kollegin in ihrer Gruppe. So könne es dann vorkommen, dass eine Erzieherin allein mit 19 Kindern ist. „Das ist schlimm“, sagt die Wittenerin, die seit 37 Jahren als Erzieherin arbeitet. „Das sind Situationen, die sind eigentlich unbeschreiblich.“ An pädagogisches Arbeiten sei so nicht mehr zu denken.
Hinzu kommt: Durch das ständige Lüften – alle 20 Minuten für drei Minuten – kühlen gerade bei den aktuellen Temperaturen die Räume aus. „Es gibt Tage, da wird es überhaupt nicht mehr warm. Ich komme abends nach Hause und bin durchgefroren“, erzählt Olm-von Kostka. Und da die Kita sich über zwei Stockwerke erstreckt, müsse auch immer eine Erwachsene am Fenster aufpassen, erklärt Einrichtungsleiterin Sabine Jungermann.
Kita hat Betreuungszeiten von 45 auf 40 Stunden reduziert
Die Kita hat in der aktuellen Situation auch bereits ihre Öffnungszeiten angepasst: Statt 45 Stunden können derzeit nur 40 Stunden angeboten werden. Etwa weil die Gruppen auch morgens immer doppelt besetzt sein müssen. Früher habe da auch eine einzelne Erzieherin je Gruppe gereicht. Dennoch arbeiten die Vollzeitkräfte der Erzieherinneninitiative pro Woche eine Stunde länger als sonst.
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„Wir haben einfach keine Lobby“, ärgert sich Jungermann. „Jetzt schließen zum Beispiel ab 18. Dezember die Schulen. Und was ist mit uns Kitas?“ Die 48-Jährige würde sich wünschen, dass es seitens der Politik zumindest einen Appell an die Eltern von Kita-Kindern gäbe, diese in der Zeit vor Weihnachten nach Möglichkeit auch mal zuhause zu betreuen oder früher abzuholen.
Ängste der Mitarbeiter sind vor Weihnachten besonders groß
Gerade jetzt seien die schon vorher dagewesenen Ängste der Mitarbeiter besonders groß: „Niemand möchte an Heiligabend in Quarantäne sitzen“, so Jungermann. Denn Hygienemaßnahmen wie andernorts gebe es in einer Kita eben nicht. Gemeint ist damit etwa ein konsequentes Abstandhalten.
Von einer „Riesenangst“ spricht auch Susanne Olm-von Kostka. „Wir fühlen uns der Situation hilflos ausgeliefert“, so die 58-Jährige. „Wir fragen uns: Halten wir durch oder kommt doch noch der große Knall?“ Andererseits versteht man an der Annenstraße auch die Sicht der Eltern. „Es ist ja ein Stück Normalität für die Kinder“, so die Erzieherin. An einer Quarantäne ist die Einrichtung bislang zwei Mal knapp vorbeigeschlittert: Zwei Kinder sind positiv getestet worden, hatten die Kita aber mehr als 48 Stunden zuvor nicht mehr besucht.
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Eine wie nun von NRW-Familienminister Stamp am Dienstag verkündete Verkürzung der Betreuungszeit
um bis zu sechs Stunden, hält das Spiel- und Kinderhaus für unzureichend. Denn trotz fünf Stunden weniger in der Woche seien die Mitarbeiterinnen hier bereits mehr als erschöpft, so Leiterin Sabine Jungermann. Sie würde sich daher eine landesweit einheitliche Rückkehr zum eingeschränkten Regelbetrieb mit 35 Stunden wünschen – verbunden mit einer Senkung der Elternbeiträge. Das würde die Erzieher entlasten und die Akzeptanz bei den Eltern erhöhen.
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