Witten. Vorm Wochenende wird es voll in den Supermärkten in Witten. Zu viele Leute, zu wenig Abstand beklagen Kunden. Ein Testbesuch bei Kaufland.
Der Inzidenzwert steigt, das öffentliche Leben liegt brach, aber im Supermarkt tun die Kunden so, als gäbe es kein Corona. Das ist ein Vorwurf, den Wittener immer wieder gegenüber der Redaktion äußern. Doch stimmt dieser Eindruck? Bei unserem Test zur besten Wochenendeinkaufszeit waren wir positiv überrascht.
Freitag, 10.30 Uhr, fast alle Parkplätze bei Kaufland sind belegt und es stehen nur noch sechs Einkaufswagen zur Verfügung. Mit vollen Körben fahren die Wittener die Rolltreppe hinunter und laden ihren Wochenendeinkauf in den Kofferraum. Um diese Uhrzeit ist es in dem Supermarkt an der Breite Straße besonders trubelig. So sehr, dass Bärbel Moramarco sagt, „da hab’ ich ein ungutes Gefühl“.
Warteschlange bis zur Tiefkühlkost
Normalerweise geht sie außerhalb der Stoßzeiten einkaufen, diesmal ist es eine Ausnahme. „Aber mir sind viel zu viele Leute darin. Man kann sich gar nicht aus dem Weg gehen.“ Auch Rolf Stiefken hat schlechte Erfahrungen bei Kaufland gemacht. Einmal waren nur zwei Kassen geöffnet, die Warteschlange reichte bis zur Tiefkühlkost, klagt er.
+++Alle Entwicklungen rund um Corona in Witten in unserem lokalen Newsblog+++
Auch interessant
Diesmal ist Blumenkohl im Angebot, da stehen gleich drei Leute eng um die Gemüseauslage herum. Wenn zwei mit Abstand die Molkereiprodukte inspizieren, stellt sich sofort einer in deren Mitte. Bei den Wurstregalen wird gerade neue Ware einsortiert, außerdem stehen sie beim Käse Schlange. Dazwischen manövriert man den Einkaufswagen. Abstand halten ist kaum möglich.
„Das liegt aber nicht an den Supermärkten“,findet Kundin Brigitte K. (70). „Das liegt an den Kunden!“ Manche würden ihr „den Einkaufswagen in die Hacken schieben“. An der Kasse stellt sie sich vor den Wagen, damit der nächste nicht zu sehr aufrückt.
Schilder mahnen: Zeigt Anstand: Haltet Abstand!
Alle Kassen sind geöffnet, man rauscht schnell wieder heraus. Kaufland bittet die Kunden eindringlich um Rücksichtnahme. „Zeigt Anstand: Haltet Abstand“, mahnen Schilder. Oder: „Habt Geduld und Respekt.“ Kritische Stimmen sind in der Minderzahl. „Man kann doch selbst gucken, dass man Abstand hält“, sagt eine ältere Dame. Auch Bernhard Dropmann (81) findet die Situation vor Ort völlig ok. Ein Paar, das sich gerade seelenruhig die Sonderposten anguckt, sagt: „Das ist schließlich das einzige Highlight der Woche.“
Supermärkte regeln Kundenströme selbst
Für alle Supermärkte gilt: Maximal ein Kunde darf sich je 10 qm Verkaufsfläche befinden (in Märkten bis 800 qm, darüber etwas weniger). Zugleich sind die Betreiber zum Arbeitsschutz für ihre Mitarbeiter verpflichtet. „Wie genau sie das gewährleisten, ist aber nicht geregelt“, erklärt Wittens Stadtsprecher Jörg Schäfer. Das heißt, die Abstandsmarkierungen, Einlasskontrollen, begrenzte Zahl an Einkaufswagen, Spuckschutz zwischen Warteschlangen oder anderes sind einfach verschiedene Varianten, keine davon ist aber verpflichtend.Die Mitarbeiter des Ordnungsamts kontrollieren sowohl stichprobenartig, sowie auf konkrete Beschwerden hin. „Die Läden sind einsichtig und kooperativ, wenn wir sie auf Fehler hinweisen“, so Schäfer.
Auch interessant
Erinnern wir uns: Mit dem ersten Lockdown vor einem Jahr – das war noch vor der Maskenpflicht – haben die Leute penibel auf Abstände geachtet. 1,50 Meter waren in den Geschäften mit Klebeband auf dem Boden markiert, viele Supermärkte regelten den Einlass mit Sicherheitspersonal. Inzwischen sind die Abstandsmarkierungen verblasst oder ganz verschwunden. Verhalten sich die Kunden auch nachlässiger?
Ralf Schwalemeyer, der den Bommeraner Edeka betreibt, teilt dieses Gefühl nicht. Er hat in Sicherheitsvorkehrungen investiert, was die Kundendichte im Markt entzerre. „Die Kunden honorieren das. Unsere Umsätze zeigen keine Rückgänge.“ Bei ihm regelt eine elektronische Eingangskontrolle die Zahl der Kunden. 120 Menschen dürfen hinein, ab 70 wird das System nervös, irgendwann piept es und schaltet auf Rot. Dann eilt ein Mitarbeiter zum Einlass.
Schwalemeyer hat mehr Mitarbeiter eingestellt, die regelmäßig getestet werden. Die Regale werden nicht mehr zu den Stoßzeiten befüllt. Und: „Wir haben in der Regel alle Kassen besetzt, so dass gar kein Stau aufkommt.“ Laut dem Edeka-Marktleiter müssen sich die Kunden keine Sorgen machen: „Die Übertragungsrate bei einer kurzzeitigen Begegnung am Molkereiprodukteregal halte ich für äußerst gering.“