Witten. Es fühlt sich an wie ein Neuanfang. Als wäre man monatelang eingesperrt gewesen. Plötzlich ist sie da, die neue Freiheit. Ein Freitag in Witten.
Kennen Sie Mürvet Kesmen? Witten hat der freundlichen Frau, ebenso wie Stadtgalerie-Managerin Babett Arnold, nicht weniger als die Rückkehr des Lebens in die Wittener Innenstadt zu verdanken. Denn ohne das Testzentrum, für das sich Arnold stark gemacht hatte und das jetzt von Kesmen und ihrer Familie im früheren Ladenlokal von Esprit betrieben wird, säßen wohl die wenigsten schon wieder im Eiscafé oder Biergarten.
Kein anderes Testcenter liegt mitten in der Einkaufstraße in Witten
Denn so löblich all die anderen Testcenter in Witten sind – keines liegt direkt in der Einkaufsmeile. Um nur mal schnell einen Kaffee zu trinken, lässt sich wohl niemand extra bei Ostermann, in der Werkstadt oder in einer Arztpraxis das Teststäbchen in die Nase schieben. Mit dem Testcenter in der Stadtgalerie, das selbst am Pfingstsonntag- und montag von 10 bis 16 Uhr geöffnet hat, ist das Tor zu einer lebendigen Innenstadt wieder weit geöffnet worden. Es ist wieder viel mehr Betrieb.
Denn die Menschen nehmen das Angebot dankbar an. Regelmäßig stehen zehn bis 20 Leute Schlange vor dem Test-Lokal, um dann eine Viertelstunde später freudestrahlend die neuen Freiheiten zu genießen. So wie am Freitagnachmittag die junge Shad (21) und Abdul (26), ihr männlicher Begleiter, die dem Reporter am City-Bogen freudestrahlend entgegenkommen, die ausgedruckten Testergebnisse in der Hand. Was sie jetzt tun würden? „Na, Kaffee trinken gehen“, sagt Shad, „endlich“. Abdul ergänzt: „Es war ja auch nicht mehr auszuhalten.“
Ein halbes Jahr ist seit dem letzten Café-Besuch in Witten vergangen
Ein halbes Jahr ist es her, dass die Passanten zuletzt draußen im Café sitzen durften. Seitdem war die Gastronomie im Dauer-Lockdown. Manche können es kaum fassen, dass nun plötzlich nicht nur die Sonne scheint, sondern sich das Leben auch schon wieder so viel leichter anfühlt. „Ich bin fasziniert“, sagt Helga Schaeffer, die wir mit Schwiegertochter Katharina (30) und Enkeln an einem Tisch vor Café Extrablatt treffen. „Wann habe ich das letzte Mal draußen einen Aperol Spritz getrunken“, sagt die 71-Jährige lachend. Klar, für die Kleinen gibt’s Pommes. Da nehme sie einen Test gern in Kauf, sagt Katharina Schaeffer.
Ein paar Tische weiter genießen Claudia Schmitt und Bernhard Such gerade die Leichtigkeit des Seins. Die Krankenschwester, zweimal geimpft und damit ohne Negativtest zugangsberechtigt für die Außengastronomie, nippt an ihrem Latte, der 64-jährige trinkt einen Schluck Krefelder. Wie sich das anfühle? „Sehr gut“, sagt die 54-Jährige. „Das ist ein Stück Freiheit, die wir lange nicht mehr hatten.“ Da schmecken auch das Schnitzel und die Mini-Pizza gleich doppelt so gut.
Ob Test oder Impfpass: Kontrolle fällt Außengastronomie in Witten leicht
Die Vorlage von Test oder Impfpass verlaufen überall reibungslos, hier und da hakt’s mit der Luca-App zur Kontaktnachverfolgung. Dann muss man eben wieder Zettel ausfüllen, egal. Heute könnten alle die Welt umarmen. Fröhlich tanzen die roten Luftballons vorm Extrablatt im Wind. „Vermisst“ steht da drauf, aber das war gestern! Bleiben die Inzidenzwerte bis Mittwoch (26.5.) unter 50, dürfte ab Freitag (28.5.) sogar die Innengastronomie wieder öffnen.
Aber jetzt kommt erst mal Pfingsten mit eher trüben Aussichten. Claudia Schmitt und ihrem Partner ist das egal. Am Mittwoch fahren sie erst mal nach Dahme an die Ostsee. Aktuelle Inzidenz in Ostholstein: 19,4. Aber ein frischer Wind, der bläst an diesem Freitag auch in Witten.