Velbert. Vier Generationen halten zusammen. Mittelpunkt ist Ingrid Kalaschinski. Ihr Rat ist bei allen gefragt. Und Oma ist stets für eine Überraschung gut
Die Augen blitzen lebenslustig, der Rücken ist kerzengerade. Ein Blick in die Runde, „alles meine Meute“, sagt Ingrid Kalaschinski (89) und lächelt zufrieden. Und die „Meute“ kann sich nicht vorstellen, mal ohne Oma Geburtstag oder gar Weihnachten zu feiern. Vier Generationen halten in Velbert zusammen wie Pech und Schwefel: „Wenn alle da sind, sind wir 14 Leute.“ Und alle, vom Schwiegersohn bis zu den vier Urenkeln, freuen sich, dass Omas Plan mal wieder aufgeht: „Ich hab immer gesagt: Wenn ich 90 werden sollte, dann mach’ ich eine große Party“, sagt Ingrid Kalaschinski und strahlt. Am Sonntag, 16. Februar, ist es soweit, dann wird mit 30 Leuten in den Bürgerstuben gefeiert: „Meine Clique kommt auch.“
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Und natürlich Lebensgefährte Heinz, der seit 13 Jahren zur Familie gehört: „Wie 4711, immer dabei“, sagt die flotte Seniorin kurz und knapp in Anspielung an den legendären Werbespruch des „Kölnisch Wassers“. Noch heute kann sie sich an den Tag erinnern, als Heinz Axmann (83) in ihr Leben trat: „Ich ging ins Café Oebel, in der Friedrichstraße, ein netter Mann hat mir seinen Platz angeboten. Ich hab danach erst die Biege gemacht, aber er war hartnäckig.“ Beide verwitwet, fanden sie ihr zweites Glück. Was Tochter Gudrun Schaumburg damals erst einmal irritierte, wie sich die 68-Jährige erinnert: „Mama und ein anderer Mann, das war schon erst ganz komisch. Man bleibt einfach Kind, egal, wie alt man ist. Und man muss ja auch schon ein bisschen aufpassen, wer da so kommt...“ Doch Heinz eroberte die Familie im Sturm: „Wir haben alle gesehen, wie toll er sich um Mama kümmert, dass er es es wirklich gut mit ihr meint.“
Im Velberter Café das zweite Glück gefunden
Das ist bis heute so geblieben, wie Ingrid Kalaschinski vergnügt erzählt: „Er holt mich jeden Tag mit dem Auto ab, dann fahren wir zum Mittagessen ins Finanzamt, ist wirklich gut da.“ Nach dem Essen fahren die Zwei in Ingrid Kalaschinskis Wohnung, halten hier manchmal ein Nickerchen. Auf jeden Fall aber wird Zeitung gelesen: „Wir teilen uns das. Er den Sport, ich das andere. Dann fahren wir in die Stadt zum Kaffeetrinken.“ Die Zwei genießen ihr Leben, und auch diesen Schwung, diese Lebensfreude mag Urenkelin Leni (20) so sehr: „Oma ist einfach cool. Und sie ist so jung geblieben, in der Sprache, einfach in allem.“ Die Seniorin lacht: „Wir sind auch früher oft zusammen nach Mallorca geflogen, nach Cala Millor, hatten da viel Spaß.“ Was alles kein Vergleich zu dem Abenteuer ist, das sie 1960 mit Ehemann Bruno und den beiden Töchtern Jutta und Gudrun wagte.: Die Familie wanderte aus nach Australien: „Wir wollten was von der Welt sehen, im Konsulat in Köln hatte man uns Australien empfohlen.“ Sie kaufmännische Angestellte, er Former in einer Gießerei, „die brauchten da drüben Arbeitskräfte wie uns“.
Familie wanderte aus nach Australien
Nur mit zwei Holzkisten an Bord, stach Familie Kalaschinski 1960 von Bremerhaven aus in See, alles unter großer Anteilnahme. „Ich weiß noch, dass eine Kapelle spielte. Wir waren einen Monat unterwegs und ich war furchtbar aufgeregt, ich konnte ja kein Wort Englisch. Hab ich alles drüben gelernt.“ Es waren drei gute Jahre in der Nähe von Sydney, erinnert sich die Seniorin, die Töchter wurden hier eingeschult, tolle Natur, man fand auch schnell Anschluss. Doch gesundheitliche Probleme ihres Ehemannes zwangen die Familie zur Rückkehr. „Meiner Schwester und mir fiel das vor allem wegen der Sprache schwer“, erinnert sich Gudrun Schaumburg, die es wie alle hier genießt, dass die große Familie so fest zusammen hält. Mal im ganz kleinen Kreis Geburtstag feiern? Gibt‘s nicht, das kann sich keiner hier vorstellen. Und auch jenseits der klassischen Familienfeiern scharen sich alle gern um ihre muntere Oma, deren Rat bis heute gefragt ist, so beteuern die drei Enkelinnen.
„Oma ist der Fels in der Brandung“
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„Sie ist einfach immer für uns da, früher und auch heute noch. Oma ist der Fels in der Brandung“, sagt Nadine Schaumburg mit Nachdruck: „Bis ich 30 war, bin ich einmal in der Woche zum Essen zu ihr gegangen.“ Ihre Schwester Nina wirft ein: „Ja, Oma hat das beste Essen gemacht. Graupensuppe, Möhreneintopf, Dicke Bohnen, alles sooo lecker.“ Das Graupensuppen-Rezept hänge zwar bei ihr an der Küchenwand, erzählt Enkelin Katrin Kosmehl (40), „aber das kriegt keiner so hin, da fehlt Omas Liebe“. Und noch immer hören alle gebannt zu, wenn Oma von früher erzählt, von ihrer Kindheit in der Hohenzollernstraße, den Entbehrungen in der Nachkriegszeit, dem Aufschwung in den 50er Jahren.
„Und sie ist immer ehrlich, sagt geradeaus, was sie denkt. Auch, wenn das manchmal unbequem ist. Das mag ich total gern an ihr“ , sagt Urenkelin Leni (20), die oft einfach nur mal so bei ihrer coolen Oma vorbeischaut. Falls die mit ihrem Heinz nicht gerade auf Jück ist.