Neviges. Pfadfinder aus Neviges besuchen seit 36 Jahren einen Stamm nahe Tokio. Bei ihren Besuchen tauchen sie tief ein die fernöstliche Kultur.
Lagerfeuerromantik, gemeinsames Zelten, das sind so die üblichen Bilder, die im Kopf aufploppen, wenn von Pfadfindern die Rede ist. An Flüge gen Fernost denkt man da nicht unbedingt. Es sei denn, es geht um die Pfadfinder in Velbert, Stamm Hardenberg-Neviges. Die düsen nicht nur regelmäßig nach Tokio, sondern lernen bei ihrer akribischen Reisevorbereitung auch schon mal ein paar wichtige Wörter in der Landessprache. Im Gegenzug kommen dann die Pfadfinder aus der Millionenstadt alle fünf Jahre ins beschauliche Neviges. Noch heute wundert sich Christian Schmidt, Teilnehmer der ersten Tour 1989, wie damals alles begann: „Das war schon irgendwie eine irre Geschichte.“
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
Der heute 61-Jährige erinnert sich: „Wir hatten unsere Leiterrunde, das war irgendwann im Herbst 1988. Und hörten: Die Stadt Velbert hatte eine Nachricht von einem Pfadfinderstamm in Tokio bekommen, die hatten da drüben 40-jähriges Jubiläum. Und wollten zu diesem Anlass zehn von uns einladen, inklusive Flug und Unterkunft bei Gasteltern.“ Hintergrund ist, dass der Velberter Pater Peter Karl Reitz einst jene Pfadfindergemeinschaft gegründet hatte, mutmaßlich im Rahmen eines missionarischen Aufenthalts, so schätzt Christian Schmidt. An jenem Abend jedenfalls seien alle wie elektrisiert gewesen, man habe seinen Ohren kaum getraut: Eine Einladung nach Tokio bekommt man nicht alle Tage.
Briefwechsel zwischen Velbert und Tokio
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„Wir haben dann zurückgeschrieben, dass wir uns unglaublich freuen und gerne kommen. Und wir fragten dann, ob auch noch mehr als zehn Leute kommen dürften, wenn wir den Flug selbst zahlen.“ Nach drei Briefen und zwei Telefonaten, „es gab ja keine E-Mails, kein WhatsApp“, war es dann so weit: 20 Pfadfinder flogen 1989 vom 21. Juli bis zum 15. August in die Millionenstadt. „Wir waren alle sehr aufgeregt, und gerade uns Leitern war schon auch ein bisschen mulmig zumute“, erzählt Christian Schmidt weiter. „Wir hatten ja die Verantwortung, dachten, was ist, wenn da niemand am Flughafen steht, wie geht das dann weiter?“ Eine Sorge, die sich zum Glück als unbegründet erwies. Denn eine ganze Abordnung der St. Mary’s Scouts, so der Name der dortigen Pfadfinderstämme, empfing die jungen Deutschen. Vom Flughafen aus ging es dann direkt zur Gemeindefeier.
Zu Fuß auf den Dreitausender Fuji
Man habe sich unglaublich viel Mühe gegeben, den Pfadfindern aus dem kleinen deutschen Wallfahrtsort etwas zu bieten, erinnert sich Christian Schmidt, dessen Ehefrau Anne damals schweren Herzens nicht mitfliegen konnte, weil sie gerade eine neue Stelle angetreten hatte. „Ich bin dann ein Jahr später rüber, man hatte ja die Kontakte.“ Zurück zur ersten gemeinsamen Tour der Pfadfinder. Unvergessen ist für Schmidt der Fußmarsch auf den 3000 Meter hohen Fuji, „dazu noch bei Sonnenaufgang, es war wahnsinnig anstrengend, aber eben auch ein Erlebnis“. Alle 20 Pfadfinder lebten damals wie heute bei Gasteltern, die gemeinschaftlichen Erlebnisse in der Natur seien trotzdem nicht zu kurz gekommen. „Das Leben draußen, das war schon ziemlich rustikal“, erzählt Christian Schmidt. Dazu gehörte auch, ein Huhn vor der Zubereitung selbst zu schlachten.
Treffen im Turm
Die Jungpfadfinder, 10 bis 13 Jahre, treffen sich donnerstags von 18 bis 19.30 Uhr im vorderen rechten Wehrturm Schloss Hardenberg.
Alle anderen Altersgruppen kommen mittwochs und freitags im Jugendkeller des Pfarrheims Glocke, Tönisheider Straße 6-8 zusammen. Neue Gesichter sind willkommen, bei Interesse: Die Termine für die verschiedene Gruppen stehen auf der Homepage www.dpsg-hardenberg.de. Dort gibt es auch ein Kontaktformular mit den Ansprechpartnern im Stamm.
Wenn die Nevigeser Pfadfinder in diesem Jahr vom 6. bis zum 22. April wieder nach Japan düsen, dann wäre Benita Lorenz-Höhfeld (26) wieder schrecklich gern mitgeflogen. So wie 2016, da war sie unter anderem von der riesigen Gastfreundschaft begeistert. „Es ist nur im Moment gerade schlecht, wir haben einen dreijährigen Sohn. Und mein Mann möchte auch so gern mit, dann vielleicht das nächste Mal zusammen.“ Wie damals Christian Schmidt, so hatte sich auch Benita Lorenz-Höhfeld wochenlang penibel auf die Reise vorbereitet. Denn gerade im Alltag könne man in so manches Fettnäpfchen treten. „Man darf zum Beispiel niemals mit Schuhen die Wohnung betreten. Und es gibt sogar Toilettenschuhe, also extra Schuhe für das Badezimmer.“
Flüge werden durch Spenden finanziert
Für Noah Sander, 25 Jahre alt, ist die kommende Tour im April schon die zweite Japan-Reise. „Jetzt trage ich die Verantwortung, das ist schon ein bisschen anders“, sagt der Lehramts-Student mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Sport. Ja, er freue sich ungemein, auch darauf, all die Kontakte mal wieder aufzufrischen. Und dass er schon ein bisschen wisse, was ihn im Fernen Osten kulinarisch erwarte, könne auch nicht schaden: nämlich Reis in jeder Variation und zu allen Tageszeiten. „Nach zehn Tagen Reis mit Fisch war es dann auch gut“, sagt er lächelnd. Finanziert werden die Flüge durch Spenden und diverse Aktionen wie etwa Kuchenverkauf nach dem Gottesdienst, von der Stadt fließe immer etwas über den Stadtjugendring. Auch will man wieder versuchen, über das Erzbistum Köln einen Zuschuss zu bekommen, ist doch Tokio die Partnerdiözese von Köln.
Und natürlich überlegen die Nevigeser Pfadfinder schon jetzt, was man den weitgereisten Gästen dann beim Gegenbesuch alles bieten könnte. Auf jeden Fall, das ist ihr Ehrgeiz, werde man wieder ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine stellen. Direkt vor der Tür gibt’s schon mal viel Grün. Auch, wenn der Marienberg kein aufregender Dreitausender ist.