Velbert. Bis zu 600 Geflüchtete sollen in ehemaliger Seniorenresidenz untergebracht werden. Anwohner sind besorgt. Bezirksregierung und Stadt stellten sich Fragen und Kritik.
Knapp 2300 Menschen haben die Petition „Verhindern Sie eine Flüchtlingsunterkunft am Wordenbecker Weg“ bereits digital unterschrieben, Stand: Mittwoch, 22 Uhr. Das zeigt: Das Thema bewegt viele Velberter. Dennoch blieben beim Bürgerdialog am Mittwochabend im Forum Velbert, wo sich Vertreter der Bezirksregierung und der Stadtverwaltung berechtigten Fragen, sachlicher wie unsachlicher Kritik und auch einigen Pöbeleien stellten, doch recht viele der 440 Plätze im Theatersaal leer.
- Flüchtlinge sollen in früheres Velberter Seniorenheim ziehen
- 1800 Unterschriften gegen geplantes Flüchtlingsheim in Velbert
Chris Patrick Kruse, zuständiger Abteilungsleiter der Bezirksregierung Düsseldorf, versuchte zunächst im Schnelldurchlauf in die komplexe Materie einzuführen – in die massiv schwankenden Flüchtlingszahlen, in Anerkennungsquoten und Maßnahmen, mit denen man versuche, perspektivisch auf alle möglichen Entwicklungen zu reagieren, „vor der Lage zu sein“, wie Kruse es formulierte. Er berichtete, dass allein die Bezirksregierung Düsseldorf neben den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in Mönchengladbach und Essen 15 sogenannte Zentrale Unterbringungseinrichtungen betreibt: Eine solche Einrichtung – kurz ZUE – soll 2026 auch am Wordenbecker Weg entstehen, so denn der Stadtrat zustimmt. Dort verbringen Familien bis zu sechs Monate, alleinreisende Frauen und Männer 18 Monate – in Ausnahmen auch länger –, bis Asylverfahren abgeschlossen und die Verteilung auf die Kommunen erfolgt.
Warum eine ZUE des Landes der Stadt Velbert Geld spart
Darin sieht Bürgermeister Dirk Lukrafka Herausforderungen, aber auch Vorteile für Velbert, wie er in seinem Eingangsstatement verdeutlichte: Im vergangenen Jahr habe die Stadt 281 Personen zugewiesen bekommen – und auch unterbringen können. Allerdings seien die Kapazitäten damit auch erschöpft, sodass der Rat beschlossen habe, drei Unterkünfte mit Platz für insgesamt 600 Personen zu bauen. Kosten in Millionenhöhe, die die Stadt schultern müsste – daraus resultierende Kosten für Schulen und Kitas kommen hinzu. Da die Plätze in einer ZUE zwar voll auf die Zuweisungsquote angerechnet werden, die Kosten aber vom Land getragen werden, kalkuliert Lukrafka mit fünf Millionen Euro weniger Kosten für den Stadthaushalt, pro Jahr.

Teilweise hitzige Diskussion im Forum Velbert
Im Anschluss wurde die Fragerunde freigegeben – und schnell wurde es im Theatersaal hitzig. Immer wieder wurden die Vertreter von Stadt und Bezirksregierung während ihrer Antworten unterbrochen, teilweise ausgelacht. Wenig überraschend drehten sich viele der Wortbeiträge um das Thema Sicherheit. Von der „anderen Mentalität“, die die Flüchtlinge hätten, war da die Rede, von „ohnehin schon heillos überforderten Ordnungshütern“, „vom Kindergarten, der nur ein paar Meter entfernt ist“, von einer „Ghettoisierung von Birth“, von einer Stadt, die man mühsam aufgebaut habe und die jetzt zertrümmert werde, von den „etablierten Parteien, die endgültig weg vom Fenster sind, wenn sie dem zustimmen“. Und immer wieder wurde „Aschaffenburg“ in den Saal gerufen – dort, wo am Mittwoch ein 2022 als Flüchtling nach Deutschland eingereister Mann auf Kindergartenkinder in einem Park eingestochen und dabei ein Kind und einen Passanten tödlich und weitere Menschen teils schwer verletzt hat.

Polizei äußert sich zu Sicherheitsbedenken
Chris Patrick Kruse hatte dementsprechend einen schweren Stand, als er betonte, dass die „ganz überwiegende Zahl der Bewohner in den ZUEs völlig unauffällig ist“. Antonia Schuller, Abteilungsleiterin in der Bezirksregierung, ergänzte, dass man nachhalte, was im Zusammenhang mit den Einrichtungen passiere. Man könne nicht feststellen, dass es im Umfeld der Einrichtungen zu erhöhter Kriminalität komme. In einer ZUE der Größe, wie sie in Velbert nun geplant sei, seien sechs Sicherheitsmitarbeiter rund um die Uhr im Einsatz. Gelächter. „Sechs für 600?!“, schallt es durch den Saal. „Armes Deutschland …“
Stefan Göbels, Leiter der Polizeiwache Velbert, bemühte sich um eine Versachlichung der Diskussion. Er habe sich mit seinen Kollegen in Ratingen unterhalten, wo es bereits zwei ZUEs gebe. Ja – es komme dort zu erhöhten Einsatzzahlen für die Polizei, „das soll und muss man auch nicht schönreden“, so Göbels: „Wo viele Menschen unterschiedlicher Herkunft auf engem Raum sind, kommt es zu Konflikten, zu Auseinandersetzungen.“ Festzuhalten sei, so der erfahrene Polizist: Der allergrößte Teil der Einsätze beziehe sich auf Geschehen innerhalb der Einrichtungen – was nicht heiße, dass es außerhalb nichts gebe. Darauf werde sich die örtliche Polizei vorbereiten und habe durch die Nähe der Wache Eintreffzeiten von unter einer Minute. In Ratingen sei das Personal aufgestockt worden: „Das wird dann auch für Velbert geprüft.“
Was der Bürgermeister zum damaligen Aus für das Altenheim sagt
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„Die alten Menschen hat man rausgeworfen, für die war kein Geld, keine Hilfe da, warum jetzt für Flüchtlinge?“ Diese Frage wurde gleich mehrfach gestellt. Hier dröselte Bürgermeister Lukrafka noch einmal die Vorgänge auf: Die Pleite von Convivo als Betreiber habe die Stadt überrascht – auch, dass es so schnell ging. Am Wordenbecker Weg sei das Problem gewesen, dass eine Vollbelegung aufgrund baulicher Mängel schon lange nicht mehr möglich gewesen sei und die Kosten, die das Heim verursachte, nicht mehr zu erwirtschaften gewesen seien. Die Stadt habe sich damals durchaus bemüht, zumindest die Gebäude zu kaufen: „Die Kaufpreis-Vorstellungen des Eigentümers waren aber völlig utopisch gegenüber dem, was man dort vorfindet.“ Aktuell seien die Gebäude nach wie vor im Besitz des insolventen Fonds – und damit in der Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses. Nach Informationen dieser Zeitung gibt es nun aber einen Käufer, keinen Velberter, niemanden aus der näheren Umgebung. Dieser wäre dann auch Vermieter für die Bezirksregierung, die den Mietvertrag sogar bereits unterschrieben hat. Rechtswirksam sollen sowohl Verkauf als auch Vermietung aber erst werden, wenn der Stadtrat der ZUE zustimmt.
Keine konkreten Aussagen zu Herrichtungs-, Miet- und Betriebskosten
Nicht konkret beantworten wollten die Vertreter der Bezirksregierung die Fragen zu den Herrichtungskosten (allgemein: „Brandschutz ist ein großes Thema“, „Haus 2 muss ertüchtigt werden, Haus 4 ist für den Abriss vorgesehen“ und „Im Verhältnis ist der Umbauaufwand recht niedrig“), Mietkosten (allgemein: „Sobald wir hier Preise nennen würden, wären die Preise für die Zukunft kaputt“) und Betriebskosten (allgemein: „Hier werden viele Leistungen ausgeschrieben, sodass es schlicht nicht möglich ist, seriöse Zahlen zu nennen“). Antwort gab es hingegen auf die Frage, wo die Kinder denn in die Kita oder in die Schule gehen sollen: „Die Kinder sind nicht schulpflichtig“, so Antonia Schuler: Kinderbetreuung erfolge in der ZUE selbst.

Kita-Träger will Wege suchen, nicht blockieren
„Gut, dass meine Großeltern all das nicht mehr miterleben müssen, wie sich unser Deutschland entwickelt hat“, ruft eine Frau – die sich auch nicht von den durchaus positiven Schilderungen von Corinna Meisters, die eine ZUE in Weeze leitet, von ihrer Meinung abbringen lässt. Dort sei die Skepsis anfangs auch groß gewesen, berichtet Meisters, mittlerweile habe sich das gelegt, viele örtliche Vereine würden Angebote machen, man pflege ein gutes Miteinander. Das will auch der evangelische Träger der Kita neben der geplanten Velberter Einrichtung. Zwar gebe es Sorgen der Eltern, aber man werde sich nicht von Worst-Case-Szenarien leiten lassen, nicht in eine Blockadehaltung gehen, sondern Wege finden. Ein versöhnlicher Abschluss einer hitzigen Diskussion.
Entscheiden müssen nun die 71 Mitglieder des Stadtrates. Ob es danach noch zu einem Bürgerbegehren und -entscheid, wie von einigen Besuchern lautstark gefordert, kommt, bleibt abzuwarten.