Velbert/Essen. Im Essener Süden bemerkte eine Passantin verendete Tiere im Wasser. Was Baumfällungen in Velbert und Bagger im Bach damit zu tun haben könnten.

Als die Essenerin Susanne Reichelt am 4. Dezember in ihrer Mittagspause am Deilbach in Essen-Kupferdreh steht und auf das Wasser schaut, ist sie geschockt: Sie sieht zahlreiche tote Fische, die vorbeitrieben. „Die waren so klein, vielleicht sechs bis sieben Zentimeter groß“, schätzt sie. Andere seien eher zwölf, 13 Zentimeter lang gewesen. Es werden etwa 50 gewesen sein, die an ihr vorbeiflossen, allerdings lediglich an einer Seite des Baches. „Wäre ich länger stehengeblieben, hätten es auch Hunderte sein können“, vermutet sie.

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Die engagierte Frau ruft die Feuerwehr. Die wiederum alarmiert das Umweltamt der Stadt Essen. Schließlich wird „Umweltalarm Fischsterben“ ausgelöst: Das Landesumweltamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) rückt aus, die Wasserschutzpolizei wird eingeschaltet. Es werden Proben genommen und Fischkadaver geborgen.


Hier, kurz vor der Mündung des Deilbachs in die Ruhr in Essen-Kupferdreh, sah Susanne Reichelt die toten Fische.
Hier, kurz vor der Mündung des Deilbachs in die Ruhr in Essen-Kupferdreh, sah Susanne Reichelt die toten Fische.

Kreis und BRW warten auf Ergebnisse der Untersuchungen

Nun läuft die Suche nach der Ursache. Mit Ergebnissen ist wohl allerdings nicht vor Januar zu rechnen. So heißt es beim Kreis Mettmann auf Anfrage auch nur: „Wir warten auf Ergebnisse des LANUV.“ Vorher könne man dazu nichts sagen, so eine Sprecherin des Kreises, der als Untere Wasserbehörde und Fischereibehörde involviert ist. Auch beim Bergisch-Rheinischen Wasserverband (BRW), der für Unterhaltung des Deilbachs zuständig ist, will man sich an Spekulationen über mögliche Ursachen nicht beteiligen, sondern die Ergebnisse abwarten.

Naturschützer beobachten Arbeiten am und im Bach in Velbert

Naturschützer in Velbert haben jedoch einen Verdacht: Am Tag, als die toten Fische beobachtet wurden, fanden in Höhe der Wieland-Werke in Velbert-Nierenhof umfangreiche Gehölz- und Fällarbeiten am Ufer des Deilbachs statt – in Auftrag gegeben durch die Technischen Betriebe Velbert (TBV) und ausgeführt von einer Essener Firma.

Carsten Haider, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Velbert, war selbst vor Ort: „Es ging alles sehr schnell und die Arbeiten waren schon so weit fortgeschritten, dass ein Stoppen nicht mehr möglich war“, so der engagierte Umweltschützer, der immer noch fassungslos über die aus seiner Sicht „rücksichtslos durchgeführte Maßnahme“ ist.

Ein zweiter Bagger arbeitete im Uferbereich des Deilbachs in Velbert. 
Ein zweiter Bagger arbeitete im Uferbereich des Deilbachs in Velbert.  © Carsten Haider | Carsten Haider

Schreitbagger fuhr durch den Deilbach in Velbert

So seien, berichtet Haider, Bäume mit Höhlen gefällt worden, die sowohl Fledermäusen als auch anderen Kleinsäugern als Quartier gedient haben oder hätten dienen können. „Ein Hubsteiger, mit dem man die Höhlen hätte ordnungsgemäß inspizieren können, war nicht vor Ort.“ Darüber hinaus zweifelt der BUND-Vorsitzende an, dass für den Einsatz in einem Bach bzw. ufernahen Bereich zugelassene Fahrzeuge genutzt wurden. „Völlig unverständlich ist für mich, dass ein sogenannter Schreitbagger munter im Bachlauf herumgefahren und dort sogar zwischenzeitlich geparkt wurde“, so Haider, zumal ja ein Bagger mit Ausleger zur Verfügung gestanden habe, „der problemlos die Bäume auf der anderen Bachseite hätte entnehmen können“, so Haider weiter.

Diese Spekulationen stellt Velberter Umweltschützer auf

„Vielleicht sind ja Betriebsstoffe ausgelaufen, die zum Fischsterben geführt haben“, äußert der BUND-Vorsitzende eine Vermutung. „Eine andere Möglichkeit könnte sein, dass die Fische von dem im Bach umherfahrenden Schreitbagger getötet oder verletzt wurden.“ Es seien zudem „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Altlasten freigesetzt worden, die ordnungsgemäß in einem Teilbereich der betreffenden Fläche kartiert seien.

Das sagen die Technischen Betriebe Velbert zu den Vorwürfen

In einer Stellungnahme an den BUND, die der Redaktion vorliegt, begründen die TBV die Arbeiten als gesetzlich notwendige Verkehrssicherungsmaßnahme zum Schutz des Bahnverkehrs. Die Bahnstrecke verläuft hier unmittelbar am Bach. Die Notwendigkeit der Maßnahme unter Hinzuziehung von Spezialfällmaschinen sei den beteiligten Behörden und dem BRW bei einem Termin vor Ort im September vorgestellt worden – mit dem Hinweis darauf, dass aufgrund der eingeschränkten Fällrichtungen und den Bestimmungen des Arbeitsschutzes zusätzliche technische Baumentnahmen erforderlich werden könnten.

TBV sprechen von „zusätzlichen Problemstellungen“ während der Arbeiten

Während der Arbeiten vor Ort hätten sich dann tatsächlich zusätzliche Problemstellungen bei den Sicherheitsfällungen ergeben, so die TBV. Sowohl aus Gründen der Baumneigung und der Holzstruktur als auch aufgrund des begrenzten Platzes durch einen oberirdischen Kanalsammler sowie Versorgungsleitungen hätten zusätzliche Baumentnahmen erfolgen und bodennahe Fällungen erfolgen müssen.

Im Deilbach fortdriftendes Holz sei unmittelbar zu beseitigen gewesen, heißt es in der Stellungnahme weiter. Hierfür sei – wie vom BRW empfohlen – ein Schreitbagger des beauftragten Unternehmers im Gewässer eingesetzt worden. Aus Sicherheitsgründen habe ein zweiter Bagger zur Unterstützung bei einem überhängenden Baum das Gewässer kurz passieren müssen, um Schaden am Fahrdraht der Bahn unmittelbar abzuwenden. Und: Eine biologische Baubegleitung sei durch eigenes Fachpersonal vor Ort sichergestellt worden: „Baumhöhlen u.a. waren frei.“

Haider will Verdacht im TBV-Verwaltungsrat auf den Grund gehen

Beim Lesen der Stellungnahme schüttelt Haider den Kopf: „Den Wasser-Behörden wurde offenbar vermittelt, dass wirklich nur einige Gefahrenbäume entfernt werden sollen. Daher wurde die Maßnahme ohne besondere Auflagen freigegeben. Aber der mit den Arbeiten beauftragte Energieholzproduzent hat doch gar kein Interesse daran, für fünf bis zehn Gefahrenbäume mit derart viel schweren Gerät anzurücken. Wahrscheinlich wurden die Gehölzentnahmen kostenneutral durchgeführt, aber dafür auch der gesamte Gehölzbestand entfernt und verarbeitet.“

Dabei handelt es sich, das sagt auch Haider, bisher lediglich um eine Vermutung, für die er keine Belege hat. Diesem Verdacht will er nun aber im TBV-Verwaltungsrat, dem er als Grünen-Ratsmitglied angehört, am Donnerstag auf den Grund gehen. Der BUND Velbert stelle auf jeden Fall das Vorhandensein von mehr als einer Handvoll „Gefahrenbäumen“ infrage. „Zumindest konnte ich bei der Inaugenscheinnahme der Baumstümpfe auf dem bahnseitigen Bachufer keine morschen Bäume erkennen, außer einem Totholztorso, der stehengelassen wurde“, so Haider: „Eher waren es noch recht junge und vitale Bäume, die gefällt wurden.“