Velbert. Wer in Velbert Strom per Grundversorgung bezieht, muss viel mehr zahlen als anderswo. Bei Gas ist Velbert gar deutscher Negativ-Spitzenreiter.

Auf diesen Titel hätten die Stadtwerke Velbert wohl gerne verzichtet. Das Nachrichtenmagazin „Stern“ kürte das Unternehmen, das mehrheitlich den städtischen Beteiligungsgesellschaften gehört, zum teuersten Gas-Grundversorger Deutschlands.

„Fast 20 Cent für die Kilowattstunde Gas. Preise, wie zum Höhepunkt der Energiekrise nach Ausbruch des Ukrainekriegs“, schreibt „Stern“-Wirtschaftsredakteur Matthias Urbach in seinem Artikel. „Aber die Preise sind von heute. Und es sind nicht dubiose Klitschen, die so teuer Energie verkaufen. Es sind Stadtwerke. Grundversorger. Anbieter, denen die Bürger vertrauen.“ Wumms, der Satz sitzt.

Das ist der aktuelle Gas-Preis in der Grundversorgung der Stadtwerke Velbert

19,73 Cent pro Kilowattstunde Gas, dazu 24,61 Euro Grundpreis pro Monat – das ist der aktuelle Gas-Grundversorgungstarif der Stadtwerke Velbert: Eine Familie, die 20.000 Kilowattstunden Gas pro Jahr verbraucht, kommt so auf eine stolze Summe von 4241 Euro pro Jahr. Laut Stern, der zum Vergleich das Portal „Verivox“ genutzt hat, der Spitzenplatz in Deutschland. Auf den Plätzen zwei und drei folgen demnach die EVL Leverkusen (4122 Euro/Jahr) und die EVH Halle (4062 Euro/Jahr).

Auch bei der Strom-Grundversorgung landet Velbert in der negativen „Top 10“-Liste

Doch damit nicht genug: Die Stadtwerke Velbert gehören zu insgesamt vier Grundversorgern, die es gleich auf beide negativen „Stern-Hitlisten“ geschafft haben, denn auch bei den teuersten Strom-Grundversorgern landet man unter den teuersten zehn Anbietern – genauer gesagt auf Platz acht. Bei einem Kilowattstunden-Preis von 45,96 Cent und einem monatlichen Grundpreis von 19,70 Euro muss die Musterfamilie, die pro Jahr 4000 Kilowattstunden Strom benötigt, 2075 Euro zahlen.

Die Stadtwerke Velbert wurden vom „Stern“ als teuerster Gas-Grundversorger Deutschlands „gekürt“.
Die Stadtwerke Velbert wurden vom „Stern“ als teuerster Gas-Grundversorger Deutschlands „gekürt“. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Das sagt der Stadtwerke-Velbert-Chef

„Die Fakten stimmen“, sagt Tobias Grau, seit Jahresbeginn Geschäftsführer der Stadtwerke Velbert. Er ärgert sich dennoch ein wenig über die „unverdiente Medaille“ und den aus seiner Sicht „begrenzt aussagekräftigen Bericht“. Denn darin werden auch Einsparpotenziale beim Anbieterwechsel aufgezeigt. So können die Velberter laut „Stern“ beim Strom 999 Euro pro Jahr sparen, beim Gas gar 2546 Euro. Allerdings hinke der Vergleich, so Grau, denn verglichen worden seien hier die kurzfristig kündbare Grundversorgung – „ein sehr spezielles Produkt“ – und Sondertarife mit langen vertraglichen Laufzeiten. Einmalige Neukunden- und Sofortboni seien zudem eingerechnet worden. Äpfel und Birnen also.

Auch interessant

Strombert und Gasbert sind Alternativen zur Grundversorgung

„Die Stadtwerke Velbert verfügen mittlerweile über einen gut sortierten Bauchladen mit unterschiedlichen Tarifen für unterschiedliche Bedürfnisse“, so Grau. So landet die Musterfamilie im Gas-Preisvergleich mit dem „Gasbert“-Tarif der Stadtwerke Velbert beispielsweise bei jährlichen Kosten von 3110 Euro – rund 1000 Euro weniger als in der Grundversorgung. Beim Strom verhält es sich ähnlich: Mit dem „Strombert“-Tarif werden für die Musterfamilie aus 2075 Euro zumindest schon mal 1788 Euro.

Gasherd mit Flamme
Nicht nur zum Kochen wird Gas benötigt, in vielen Velberter Häusern und Wohnungen wird damit auch geheizt. © DPA Images | Frank Rumpenhorst

Auch langfristiger Einkauf sorgt für aktuell hohe Preise

Als Grund für die Preise nennt Grau neben den hohen Netzentgelten auch die langfristige Einkaufspolitik – mit teilweise mehr als einem Jahr Vorlauf – der Stadtwerke Velbert, die zu Beginn des Krieges in der Ukraine zum Pokerspiel wurde. Zeitweise konnten die Stadtwerke Velbert so deutlich günstigere Preise als Mitbewerber anbieten, weil noch Energie zu Preisen, die lange vor der Krise und Gasknappheit verhandelt wurden, abgegeben werden konnte. Als immer mehr Kunden in die Grundversorgung zurückwechselten, mussten allerdings auch zusätzliche Mengen zu Höchstpreisen zugekauft werden. Nun sind die Krisenpreise mit Verzögerung bei den Stadtwerken angekommen, während die aktuellen Marktpreise bereits wieder gesunken sind. Grau rechnet insofern damit, dass der Grundversorgungs-Preis perspektivisch in Velbert wieder sinken wird.

So teuer ist die Gas-Grundversorgung in Heiligenhaus

Bei den Nachbarn in Heiligenhaus kommen Kunden der dortigen Stadtwerke in der Grundversorgung übrigens deutlich günstiger weg: Dort liegt der Gas-Verbrauchspreis bei 13,328 Cent/Kilowattstunde und der Grundpreis bei 178,50 Euro/Jahr. Macht für die 20.000-Kilowattstunden-Musterfamilie 2844,10 Euro – knapp 1400 Euro weniger als in Velbert.

Tobias Grau empfiehlt, sich mit den Tarifen und Möglichkeiten auseinanderzusetzen: „Die Grundversorgung ist vor allem für alle geeignet, die kurze Kündigungsfristen, keine lange Bindung wollen“, sagt er. Wie viele Kunden die Grundversorgung nutzen, wie viele stattdessen Strom- bzw. Gasbert, möchte Grau aus Wettbewerbsgründen nicht sagen. Deutschlandweit steckt rund jeder fünfte private Kunde in der teuren Gas-Grundversorgung. Beim Strom sogar jeder Vierte. Anders als beim Wasser, wo die Stadtwerke kürzlich eine Erhöhung der Preise ankündigten, können Velberter Gas- und Stromkunden den Anbieter wechseln.