Langenberg. Die Grundsteinkisten im Bürgerhaus in Velbert-Langenberg sind ein kultureller Höhepunkt. Nun gab es eine besondere Führung durch die Ausstellung.
Krieg, Flucht, Umweltverschmutzung – die Kunstobjekte der Sammlung „Grundsteinkisten“ spiegeln viele aktuelle Themen wider. Ausgestellt sind die 407 Werke, die aus ganz unterschiedlich gestalteten Holzkisten mit zwei Querstreben und drei Kalksandsteinen bestehen, im Bürgerhaus Langenberg. Am Sonntag bot eine Führung für aus der Ukraine geflüchtete Menschen Einblicke in diese Sammlung, deren kunsthistorische Bedeutung weit über Velbert hinausreicht.
Die „Grundsteinkisten“ entstanden zwischen Mitte 1993 und Mitte 1994 auf Initiative des kurz zuvor gegründeten Vereins „Kunsthaus Langenberg“. Den ukrainischen Gästen erläuterte der pensionierte Jurist Karl-Wilhelm Wilkesmann, der die Anfänge miterlebte, die besondere Bedeutung dieser Sammlung: „Es war erstmalig in der kunstgeschichtlichen Entwicklung, dass so viele Künstler an einem Projekt teilgenommen haben, bei dem die Form vorgegeben war.“
Damit setzten die Langenberger einen Trend für Kunst im öffentlichen Raum, dem später Berlin mit seinen Bären, Wuppertal mit Pinguinen oder Frankfurt mit Kühen folgten.
Künstler haben sich mit politischer Situation beschäftigt
„Viele Künstler haben sich auch mit der politischen Situation und der gesellschaftlichen Situation in Deutschland beschäftigt“, sagte Wilkesmann und verwies auf eine von dem Zeichner Bernard-P. Woschek gestaltete Kiste: Deren Steine leuchten unten in den Farben Schwarz, Rot und Gold und zeigen oberhalb zwei stehende Hirsche und ein zum Sprung ansetzendes Känguru.
Eine Interpretationsmöglichkeit sei, dass es hier um den Platzhirsch gehe. Wilkesmann weiter: „Der Hirsch, der hier zu sagen hat, vertreibt den Fremdling“. Aus dieser Sicht sei das Werk eine kritische Auseinandersetzung zum Umgang mit Migration. Es sei aber „ganz wichtig, selbst darüber nachzudenken, was ein Kunstwerk bedeuten könnte“, so Wilkesmann.
Flucht und Vertreibung verarbeitet
Ausführlich berichtete der ehrenamtliche Führer zum Werk des bekannten Malers und Objektkünstlers Günther Uecker, das eine in Stoff verkleidete Kiste zeigt. Uecker flüchtete gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mit seiner Familie vor der Roten Armee.
An der Ostsee erlebte er mit, wie Leichen der auf torpedierten Fluchtschiffen getöteten Menschen am Stand angespült und von den Bewohnern in weiße Leichentücher verpackt wurden. Der Künstler habe eigene Fluchterlebnisse aus seiner Jugendzeit in dem Werk verarbeitet, erläuterte Wilkesmann.
„Schatzkammer von Langenberg“
Initiiert wurde der Museumsbesuch von Herbert Steiner und weiteren ehrenamtlichen Mitarbeitern des Begegnungszentrums Klippe 2 der Ev. Kirchengemeinde Langenberg. Dort gibt es zweimal monatlich ein Sonntags-Café für Menschen aus der Ukraine und an jedem Dienstag Unterstützung beim Deutschlernen.
Die Ausstellung der Grundsteinkisten „ist die Schatzkammer von Langenberg“, sagte Steiner. Auf seinen Vorschlag zu einem Besuch dort erlebte er eine sehr positive Resonanz.
Fließend übersetzt wurden die Erläuterungen zu den Kunstwerken von der jungen Ukrainerin Sofiia Makarenko, die mit
Familienangehörigen seit 16 Monaten in Deutschland lebt und nach den Sommerferien das Gymnasium Langenberg besuchen wird. „Die Werke gefallen mir“, sagte Sofiia. „Ich bin selbst Malerin und verstehe, wie schwierig die Gestaltung dieser Steine ist.“
Führung für Kinder im Angebot
Die „Grundsteinkisten“ werden immer wieder von Gruppen besucht. Schulklassen bietet der Kunstverein Langenberg „Kunst für Kids“ an: Nach einer dreißigminütigen Führung durch die Ausstellung geht es ins benachbarte Alldiekunsthaus, wo Schülerinnen und Schüler mit Pinsel und Farben eigene Grundsteinkisten gestalten können.