Langenberg. Ein ehemaliger Langenberger berichtet vom Kampf gegen die tückische Krankheit. Nach einem Zwischenhoch arbeitet er sich nun aus einem Tal zurück.
„Also eines vorweg“, sagt der 40-Jährige gleich zu Beginn des Gesprächs. „Ohne meine Frau wäre ich schon längst abgeschmiert.“ Bereits zum dritten Mal besuchen wir den ehemaligen Langenberger, der immer wieder mit Depressionen zu kämpfen hat. Doch er will nicht aufgeben und will anderen Mut machen. Deswegen sitzt er jetzt auch wieder am Küchentisch, eine Tasse Tee vor sich.
„Meine Familie ist mein ein und alles. Die haben es ja auch nicht leicht mit mir.“ Auch seine Mutter habe immer ein Ohr für ihn. Was er auch gebraucht hat, weil das letzte Jahr einer Achterbahn glich. Es ging nämlich richtig gut los, erzählt er.
Stundenzahl erhöht
„Ich hatte fast zwei Jahre lang keine Tabletten mehr genommen. Und mir ging es ziemlich gut.“ Also erhöhte der gelernte Altenpfleger auf der Arbeit seine Stundenzahl. Auch privat gab es freudigen Trubel – die Hochzeit mit seiner Partnerin stand an und wurde auch gefeiert, ebenso der 40. Geburtstag.
„Aber ich habe mich selbst überschätzt“, sagt er heute, nachdem er seit Jahresbeginn wieder arbeitsunfähig geschrieben ist. „Ich war so froh, dass ich ohne Medikamente auskomme, dass ich es übertrieben habe.“
Stress wirkt sich aus
Die Folge: „Ich habe kaum noch geschlafen“, sagt er. Einmal, weil er trotz Schichtdienst auch etwas von Frau und Kindern haben wollte, zum anderen, weil die neuen Aufgaben ihn mental überforderten. „Wenn ich Spätschicht hatte, bin ich trotzdem morgens früh aufgestanden, habe meiner Frau ein bisschen geholfen, die Kinder verabschiedet.“
Im Spätsommer dann wirkt sich der Stress und der Schlafmangel auch körperlich aus, „ich habe richtig Angst gehabt“, blickt er zurück. „Ich war dann wieder bei meinen Ärzten, die haben dann eine neue Diagnose gestellt.“ Präpsychotische Symptome habe man festgestellt, „ich bekam wieder Tabletten.“
Den Arzt gewechselt
Doch mit der Diagnose war der 40-Jährige gar nicht zufrieden, suchte Rat bei einem anderen Arzt. „Der hat mir einen Psychotherapeuten empfohlen und das war der richtige Schritt.“ Endlich fühle er sich gut aufgehoben.
„Der Psychotherapeut setzt mehr auf Gespräche als auf Medikamente. Und auf Therapien.“ Er habe auch keine Präspsychose bei ihm erkannt, „eher Burn Out“, sagt der zweifache Vater. Was in den Gesprächen auch ans Licht gekommen sei: Nicht nur die berufliche Überforderung habe für das erneute emotionale Tief gesorgt.
Corona schlägt auf die Stimmung
„Auch Corona hat seinen Teil dazu beigetragen.“ Vor allem die Kinder hätten unter den Kontaktverboten gelitten, mussten sogar zwischenzeitlich in Quarantäne. „Das geht auf die Stimmung der Kleinen und das überträgt sich natürlich auch auf mich.“
Wie schön sei es gewesen, als der vierjährige Sohn endlich wieder zum Fußballtraining durfte. „Der hat sich gefreut“, sagt der stolze Papa. „Er kam nach Hause und war einfach richtig glücklich.“
Inzwischen geht es dem ehemaligen Langenberger wieder besser. „Ich habe zwischendurch mal die Wiedereingliederung in meinen Job versucht, aber nach zwei Tagen abgebrochen.“ Es sei noch zu früh gewesen.
Zurück in den Job – irgendwann
Und dann greift er auch eine aktuelle Diskussion auf – die um die Wertschätzung der Pflegeberufe. „Klatschen hier, ein Bonus da. Das ist ja alles ganz gut gemeint“, sagt er und winkt ab. „Aber ein neuer Kollege oder auch zwei hätten uns mehr geholfen.“ Nur, schränkt er ein: „Die kannst Du natürlich auch nicht herzaubern.“
Dennoch: Der Job gefällt ihm. Auch weil er Rückhalt bekommt. „Meine Chefs machen keinen Druck, die haben Verständnis für meine Situation. Das beruhigt mich natürlich.“ Er wolle eigentlich schon wieder in den Beruf zurück, „ich mag die Chefs, ich mag die Einrichtung.“ Aber er wolle auch nichts mehr überstürzen. „Das rät mir auch mein Therapeut.“
Tempo rausnehmen
Er sei jedenfalls „guter Dinge, dass ich das auch hinbekomme.“ Er lacht: „Immerhin muss ich noch 27 Jahre arbeiten bis zur Rente.“ Zum Ausgleich wolle er jetzt wieder mit Sport anfangen – auch hier Schritt für Schritt.
„Ich hatte beinahe aufgegeben“, blickt er auf die letzten 18 Monate zurück. „Aber das Leben geht weiter.“ Dass er nun ein wenig Tempo herausgenommen habe, sei nicht gut. „Und nicht nur für mich“, sagt er. „Das Leben ist so schnell. Ich glaube, es würde jedem gut tun, zwischendurch einfach mal abzuschalten und es einen Gang ruhiger angehen zu lassen.“
Seit 2000 ist er in Behandlung
Der 40-Jährige möchte lieber anonym bleiben. Er lebt inzwischen mit seiner Familie seit gut vier Jahren in einer Nachbarstadt und hat sich dort ein Leben aufgebaut.Im Jahr 2000 hatte sich der damals 20-Jährige erstmals in die Psychiatrie begeben. Die Diagnose: paranoide, halluzinoide Psychose.Warum er seine Geschichte erzählt, öffentlich macht? „Ich möchte anderen Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen. Es geht immer aufwärts, man darf einfach nie aufgeben. Irgendwann kommt immer ein Licht und an dieser Hoffnung muss man sich festklammern.“