Velbert. Corona-bedingt ist Präsenz mal wieder nur in der GLW-Werkstatt zugelassen. Im virtuellen Klassenzimmer ist Abstand aber kein Problem.

Ob sich das die Gründerväter der 1937 aus der Taufe gehobenen "Gemeinschaftslehrwerkstatt der Industrie von Velbert und Umgebung" (GLW), die damals wohl allenfalls Erich Kästners vier Jahre zuvor erschienenes fliegendes Klassenzimmer gekannt haben, hätten vorstellen können? Dass nämlich ihre Lehrwerkstatt eines Tages mit Hilfe eines virtuellen Klassenzimmers unterrichtet und ausbildet? Wohl kaum. Aber jetzt ist genau das an der Poststraße Praxis. Tag für Tag, acht Stunden lang, mit zwei mal 30 Minuten Pause. Vor allem aber mit steuerbarer Kamera plus Bildübertragung per Beamer und mit Audioübertragung. So läuft GLW auch trotz Pandemie und Corona-Restriktionen weiter.

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In der Werkstatt ist noch Leben

Der GLW-eigene Parkplatz ist gähnend und die Parkstreifen in der Umgebung sind ungewöhnlich leer. Auch drinnen herrscht viel weniger Trubel als sonst. "Bestimmt 50 bis 60 Prozent" der Teilnehmer, schätzt Betriebsleiter Dirk Brus, seien zurzeit nicht da. Leben mit gebührendem Abstand herrscht in diesen außergewöhnlichen Zeiten eigentlich nur an den Werkbänken, wo's um handfeste Praxis geht. Theorie geht jetzt anders.

Vorbereitung auf die Prüfung

Da steht Ausbilder Stefan Volz - "Weil ich unheimlich gerne Wissen vermittele" - alleine in einem großen Unterrichtsraum, in dem ansonsten alle Stühle auf den unbesetzten Tischen stehen. Na ja, fast alleine. Denn in einer Reihe sitzt ganz außen einsam Pascal Heider, der die Teil-I-Prüfung Elektroniker für Geräte und Systeme vor der Brust hat. Hier könne er sich besser darauf vorbereiten, zu Hause fehle die dafür nötige Ausstattung, erklärt er.

Parallelunterricht im ersten Lockdown

Dipl.-Ingenieur Volz bringt 19 Elektroniker- und Mechatroniker-Azubis, die ihr erstes Lehrjahr komplett an der Poststraße absolvieren, die Welt der PC- und Netzwerktechnik näher. Die fürs virtuelle Klassenzimmer notwendige Technik sei im Grunde schon beim ersten Corona-Lockdown eingeführt worden, erzählt er, um wegen des erforderlichen Abstands Parallelunterricht in zwei getrennten Räumen machen zu können. "Ich bin selbst erstaunt, wie gut das funktioniert", sagt er nun über die virtuelle Variante.

Das könnte Schule machen

Die Waltraud Reindl übrigens gerne vorzeigt. "Viele denken, wir können nur Feile", erzählt die Dipl.-Kauffrau, die in 2019 als kaufmännische Geschäftsführerin angestellt wurde und seit diesem Monat alleinige GLW-Geschäftsführerin ist. "Das ist für uns ein großer Fortschritt", fügt sie hinzu, mache die Sache lebendiger und weniger steril. Und es sei auch eine pfiffige Idee für Schulen, findet sie.

Kein Dialog, kein Austausch

Die entscheidende Idee zu der Neuerung hatte Dirk Brus. "Das ist doch kein Unterricht", dachte er, als er erlebte, wie seine Kinder - 15 und 18 - montags ihre Aufgaben per E-Mail bekamen und sie freitags abgeben mussten. Und das sei auch halt die schlechtere Alternative zum virtuellen Klassenzimmer, findet er. Es fehle völlig die Wissensvermittlung; Dialog und Austausch kämen ebenfalls nicht vor: "Doof."

Fördert Zusammenhalt der Gruppe

Jetzt sind Volz und seine maximal 19 Teilnehmer - obwohl meilenweit voneinander entfernt - dank eines Konferenz-Tools gefühlt zusammen. Die Geschichte wurde ein paar Tage erprobt und wird seit Mitte Dezember durchexerziert. Auch schon mit Umschülern, angehenden Prüflingen und mit den Metallberufen. Das komme positiv an, sei auch ein Zeichen, dass es weitergehe, berichtet der Ausbilder. Das Medium unterstütze den Gruppenzusammenhalt und fördere den Austausch untereinander. Zudem schaffe der Unterricht eine geregelte Tagesstruktur. Allerdings sei es für ihn selbst auch "deutlich anstrengender", da die Rückkoppelung fehle. Ohnehin muss Volz wegen der unterschiedlichen Hochschul- und Berufskollegtage Themen wiederholen.

Gewehr bei Fuß für andere Zeiten

Grundsätzlich, so heißt es, stünden aber in der GLW alle Gewehr bei Fuß, sobald wieder Präsenz-Unterricht erlaubt sei. "Plötzlich wird Bildung ein rares Gut", sinniert Waltraud Reindl und berichtet, dass viele tatsächlich drängelten, wann sie denn endlich wieder normalen Unterricht machen dürften. Die Geschäftsführerin erzählt zudem, dass "man schon eine wachsende Ausbildungszurückhaltung" spüre, vor allem bei größeren Unternehmen. "Ausbildung ist ja eine Investition in die Zukunft", sagt sie, "die muss man sich aber auch leisten können."

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Einrichtung verfügt über 240 Plätze

Die GLW arbeitet bei der Ausbildung eng mit der heimischen Metall- und Elektroindustrie zusammen. Sie kümmert sich um junge Auszubildende und Umschüler und bietet 240 Ausbildungsplätze. Ausbildung und Umschulung sind in folgenden Berufen möglich: Werkzeug-, Industrie-, Zerspanungs-, Konstruktions-, Anlagen- und 
Gießereimechaniker und Mechatroniker.