Velbert. Seit 13 Jahren ist Michael spielsüchtig. Er weiß, dass das Daddeln ihm nicht gut tut, doch immer wieder zieht es ihn zu den Automaten.

Es war nur ein Zufall, dass Michael eine Spielhalle besucht und das erste Mal an einem Automaten gespielt hat. Das war vor 13 Jahren und seitdem ist der 35-Jährige spielsüchtig. In der WAZ erzählt Michael (dies ist nicht sein richtiger Name), der die Suchtberatung der Bergischen Diakonie besucht, seine Geschichte.

Zuerst nur zugeschaut

Michael – hier ein Symbolbild – schafft es mittlerweile sechs Monate, der Spielhalle fern zu bleiben. Dann ist die Sucht wieder stärker geworden.
Michael – hier ein Symbolbild – schafft es mittlerweile sechs Monate, der Spielhalle fern zu bleiben. Dann ist die Sucht wieder stärker geworden. © dpa | Sebastian Gollnow

Eine gute Freundin hat ihn mit genommen in eine Spielhalle. „Da habe ich zunächst nur zugeschaut. Dann hat sie mir zwei Euro gegeben und gemeint ,versuch es doch auch einmal’“, erzählt Michael. Und er hat es versucht und dann auf Anhieb gleich eine große Summe gewonnen. „Das fand ich super, zumal bei mir das Geld immer schon knapp war, ich konnte schlecht mit Geld umgehen“, sagt Michael weiter.

Alle zwei Tage

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Und dann ging er immer wieder in die Spielhalle. „Mindestens alle zwei Tage war ich in einer der Spielhallen in Velbert“. Bis zu acht Stunden hat er vor den Spielautomaten verbracht. „Aus gutem Grund hängen in den Spielhallen keine Uhren. Der Spieler vergisst die Zeit vor den Automaten“, so Michael.

Und die Glückssträhne hielt natürlich auch nicht an. Michael steht unter Betreuung und bekommt sein Geld zugewiesen. „Ich hab dann statt Lebensmittel für mich zu kaufen, den Spielautomaten gefüttert“. Es wurden sämtliche Verwandte angepumpt und wenn es gar nicht mehr ging, hat er auch Passanten in der Stadt angebettelt.

Ein Schlüsselerlebnis

Das ging einige Jahre so und dann hatte Michael ein Schlüsselerlebnis. „Ich sollte für die Mutter einer guten Freundin etwas besorgen, sie gab mir 120 Euro.“. Doch statt die Besorgung zu machen, ging Michael in die Spielhalle und daddelte. „Ich hatte fast das ganze Geld verspielt, es waren noch 50 Cent übrig. Da wurde mir bewusst, was ich getan hatte“, sagt er. Er warf den letzten halben Euro in den Automaten – und gewann. Er konnte der Bekannten das Geld zurückgeben und schämte sich dennoch entsetzlich. Da reifte die Einsicht, dass er Hilfe braucht. Er wandte sich an die Diakonie und nahm auch an Gruppentreffen teil. Doch er wurde immer wieder rückfällig. Besser geholfen hat eine stationäre Therapie. Und dann lernte er seine heutige Freundin kennen – „ein Glücksfall“. Wegen Betrügereien musste Michael bei der Tafel Sozialstunden absolvieren und dort traf er sie dann.

Ein halbes Jahr ohne Spiele

„Ich schaffe es heute immerhin ein halbes Jahr ohne Spielen auszukommen“, berichtet er, der weiterhin von der Diakonie betreut wird. Doch dann wird der Druck zu groß. Es geht ihm, wie er sagt, einerseits um den Kick, den möglichen Gewinn, aber auch um den Rausch. „Vor den Automaten vergesse ich alles, alle Sorgen, alle Probleme und auch die Zeit“, sagt er. Um so schlimmer sei es, wenn er dann die Spielhalle verlässt und zurück ins normale Leben geht. „Dann frage ich mich schonmal nach dem Sinn meines Lebens, es kommen dunkle Gedanken“. „Aber ich hänge zu sehr am Leben, um mir etwas anzutun“.

Die Fachstelle Sucht

Die Angebote der Fachstelle Sucht der Bergischen Diakonie richten sich an all diejenigen – egal, ob selbst betroffen, verwandt oder befreundet –, die in Velbert und Heiligenhaus wohnen und Fragen zum Umgang mit Suchtmitteln haben.Information und Beratung bei Fragen zu Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen, Nikotin, Spielsucht, Essstörungen und Medienkonsum.Offene Sprechstunden in Velbert: Montag 17 bis 18.30 Uhr; Mittwoch 9 bis 11 Uhr und 16 bis 18 Uhr; Donnerstag 10 bis 14 Uhr.Terminvereinbarung: Tel.: 02051 2595-212 oder Mail heike.dalbeck-wege@bergische-diakonie.de

Filmchen auf dem Handy

In einigen Velberter Spielhallen hat er sich sperren lassen, „aber es gibt immer noch genug andere“, sagt Michael. Und außerdem frage am Eingang niemand, wer er denn sei.

Michael weiß, dass er in seiner nächsten Umgebung ehrlicher sein muss, „ich müsste Freundin und Bekannten Bescheid sagen, wenn der Spieldruck wieder wächst“. Aber dass schafft er noch nicht und weiß, dass er an seiner Kommunikation noch arbeiten muss. Und noch etwas beschäftigt ihn derzeit: „Vielleicht habe ich eine jetzt neue Sucht entwickelt. Ich sitze stundenlang und schaue mir Filmchen auf dem Computer oder Handy an“. Das will er für sich klären.