Velbert. Nach der Vertreibung aus Oberschlesien lebt die Seniorin seit 1951 in Velbert. Sie turnte in Neviges – noch immer bastelt sie gern Karten.

Als Margarete Spletter am 30. April 1922 im oberschlesischen Schaderwitz auf die Welt kam, regierte in der Weimarer Republik Friedrich Ebert als Reichspräsident, Kaiser Wilhelm II. war gerade einmal vier Jahre abgetretentot. Es sei eine schöne Kindheit gewesen – eine durchaus behütete Kindheit als jüngste von vier Schwestern in Lamsfeld bei Breslau, erinnert sich Margarete, die heute Veit mit Nachnamen heißt.

Doch dann folgten Jahre, die alles verändern sollten: der Zweite Weltkrieg. Die damals 17-jährige Margarete begann eine kaufmännische Lehre. 1943 heiratete sie Hermann Müggenburg – einen Fliegerunteroffizier: Noch im gleichen Jahr wurde ihr Sohn Klaus geboren. Das Familienglück währte nicht lange: Nur wenige Monate nach der Geburt stürzte Hermann Müggenburg mit einem Flugzeug ab und kam dabei ums Leben.

Die Familie musste 1946 die Heimat verlassen

1946 dann der nächste Schicksalsschlag: Die Familie wurde vor die Wahl gestellt, sich einbürgern zu lassen oder die Heimat verlassen zu müssen. Sie entschieden sich für letzteres und reisten in einem Viehwagen des letztmöglichen Zuges gen Westen. Dort lebte die Familie bis 1949 bei verschiedenen Verwandten, später dann in einem Auffanglager für Vertriebene.

Dann lernte sie den Wülfrather Erich Veit kennen – „über die Zeitung“, wie sie mit einem Lächeln auf den Lippen erzählt: „Eigentlich hatte ich ja nur aus Jux geschrieben.“ Sie wurden ein Paar, zogen an die Voßkuhlstraße nach Langenberg, heirateten und 1951 erblickte Sohn Hartmut das Licht der Welt. Margarete Veit, die als Stenotypistin gearbeitet hatte, gab die Tätigkeit im Büro auf und arbeitete fortan als gute Seele in den Haushalten verschiedener Familien.

Turnen in Neviges, Wandern in Bayern oder Österreich

Die vier Schwestern (v.l.) Hilde, Lotte, Hertha und Margarete. 
Die vier Schwestern (v.l.) Hilde, Lotte, Hertha und Margarete.  © Philipp Nieländer | Repro

Als die Kinder aus dem Haus waren, zogen die Veits an die David-Peter-Straße in Neviges. Dort wurde Margarete Veit dann auch Mitglied einer Frauen-Gymnastikgruppe des Deutschen Roten Kreuzes. Gemeinsam wurde nicht nur geturnt, es gab auch viele gemeinsame Tagestouren, Karnevalsfeiern und vieles mehr. Auch als sie schon längst in Velbert-Mitte wohnten, fuhr Margarete Veit allwöchentlich mit dem Bus zum Turnen – auch noch mit weit über 90 Jahren. „Ich habe mich immer viel und gerne bewegt“, erzählt sie – ob bei langen Spaziergängen in Velbert und Umgebung oder bei den geliebten Wanderurlauben mit ihrem Erich, der 1995 starb, in Bayern oder Österreich.

Einmal –Ende der 90er-Jahre, reiste sie mit ihrem älteren Sohn Klaus und ihrem Neffen Dieter für drei Tage in die alte Heimat. Ihr Elternhaus stand noch – sogar einige Möbel und Bilder von damals gab es noch. „Ich habe mich gefreut, all das noch einmal wiederzusehen. Heimat ist Heimat“, sagt die heute 100-Jährige. Die kann man auch nicht ersetzen. Dennoch habe sie sich in Velbert immer wohl gefühlt – auch wegen der Menschen. Auch im hohen Alter interessiert sie sich für das, was im Ort los ist, liest täglich die WAZ.

Die Velberterin bastelt gern Glückwunschkarten mit gepressten Blumen

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Zu ihren Hobbys zählen Backen und Kochen – vor allem die schlesische Kost. Ihr Lieblingsessen? „Eisbein mit Sauerkraut“, schwärmt sie. Und Menschen, die ihr wichtig sind, bekommen zu Ehrentagen selbst gebastelte Glückwunschkarten mit getrockneten Blumen und Blättern. Für die nächsten Geburtstage ihrer insgesamt vier Enkel und acht Urenkel hat sie diese schon vorbereitet. Letztes Jahr – der 99. Geburtstag – musste Corona-bedingt am Fenster gefeiert werden. Heute – zum 100. – freut sie sich aber, ihre Liebsten wieder in den Arm nehmen zu können.

Um „die Kinder“ – die nun beide selbst schon über 70 sind – zu entlasten, kann sich die Jubilarin vorstellen, in ein Seniorenheim nach Langenberg zu ziehen – zumal zuletzt die Beine nicht mehr so wollen, wie sie es möchte. Aber mit 100 darf das durchaus so sein. Wünsche hat sie für ihren Geburtstag nicht. „Ach – es ist alles gut, wie es ist – und ich hatte ein schönes Leben“, sagt die Seniorin.

>>> 100 Jahre und älter

Medizinischer Fortschritt und steigender Wohlstand führen dazu, dass die Menschen in unserer Gesellschaft immer älter werden. Im Jahr 2020 waren laut Statistischem Bundesamt hierzulande 20 465 Menschen 100 Jahre alt und älter.

Das entspricht 0,025 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Von den 20 465 Hochbetagten waren zuletzt 16 454 weiblich, das entspricht einem Anteil von gut 80 Prozent.